Frühjahr | Sommer 2020   Nr. 34 fortyfour DAS PRÄVENTIONSMAGAZIN  |  www.praevention.at Institut Suchtprävention, Hirschgasse 44, 4020 Linz  © alphaspiri t/ stock.adobe.c om Pubertät und  Lebenskompetenzen   


Was können wir in der derzeitigen Corona-Krise, in dieser für uns alle schwie-rigen Situation, von der Auseinandersetzung mit dem Thema Lebenskom-petenz lernen und welche Kompetenzen sind aus Ihrer Sicht besonders in Krisenzeiten gefragt?   Wir können im Moment sehr viel vom Thema Lebenskompetenzen ler-nen. Es spielen dabei nicht nur die Limitationen des täglichen Lebens eine Rolle, die im Zuge von Corona auf uns alle eingeprasselt sind. Fa-milien können verstärkt von Krisensituationen und Konflikten betroffen sein, gerade wenn Home-Office und Home-Schooling zusammenkom-men, wenn mehrere Kinder im Haushalt leben. Das ist eine schwierige Situation, die es zu bewältigen gilt. Dazu kommt, dass derzeit viele Men-schen, viele Eltern, in Kurzarbeit beschäftigt sind und sich große Sorgen um ihre finanzielle Situation machen oder vielleicht sogar in ihrer Exis-tenz bedroht sind. Das heißt in der „Zelle Familie“ verlaufen diese Pro-zesse immer proximal, also ganz nahe am Kind.  Gerade in so einer Phase ist es relevant, dass Kompetenzen vorhanden sind, um mit starken Emotionen – mit großem Stress – umgehen zu können, um sich auch einmal herauszunehmen, kein aggressives Ver-halten, keine Eskalation in der Familie zu zeigen. Daher würde ich unter den Life Skills, die derzeit eine besonders große Bedeutung haben, den Umgang mit Emotionen und Stress hervorheben. Dazu kommen Pro-blemlösestrategien sowie kommunikative Fähigkeiten. Es ist sehr wich-tig, dass man immer wieder das Gespräch sucht, um als Eltern die Kin- der und Jugendlichen in Krisensituationen aufzufangen.  Im Gegenzug sollten auch die Kinder immer wie-der mit den Eltern den Kontakt suchen, aber auch mit ihren Freunden – jetzt eben verstärkt über di-gitale Kanäle.  Damit all dies gelingen kann, ist es erforderlich Zeit zu managen und dem Tag Struktur zu geben. Lehrer/innen können versuchen eine Art struktu-rierten Tagesplan vorzugeben, eventuell auch kleinere Leistungsüberprüfungen und Feedback. Die Strukturierung des Tages ist ganz grundsätz-lich, um nicht nur das psychologische Wohlbefinden aufrecht zu erhal-ten, sondern auch um zu Hause in gewisser Weise effizient arbeiten zu können, egal ob im Arbeitsleben oder beim Home-Schooling. Kinder und Jugendliche sind in der Regel noch nicht in der Lage, sich die nö-tigen Strukturen selbst zu schaffen. Eltern und Lehrkräfte müssen daher Vorgaben machen, was pro Tag geschafft werden sollte, um es den Kin-dern zu erleichtern, das hinzubekommen.  Das heißt natürlich auch die richtigen Grenzen zu setzen,  das richtige Maß zu finden…  Das hat natürlich auch mit dem Setzen von Grenzen zu tun. Eine ge-wisse Flexibilität ist dabei sicher notwendig, gerade wenn mehrere Kin-der zu Hause sind. Da kann man nicht immer den Tagesplan erfüllen, weil oft mehr Unterstützung nötig ist. Dann ist es nötig, Ziele auf den        2      Editorial          2      Interview mit Prof. Dr. Karina Weichold           4      Lebenskompetenz als Fundament für Krisenfestigkeit          6      Aus der Praxis:  Mit Life-Skills durch die Pubertät                 Päventionsprogramm plus          8      „Wetterfest” durch stürmische Zeiten                         9      ready4life – Ein Lebenskompetenzprogramm mit Perspektive        10      Problematischer Medienkonsum in der Pubertät         12      Adoleszenz – Eine Risikophase für die Entstehung von Essstörungen          13      Und Ihr so?                 Buchtipps        14      Neues aus dem Institut        16      Suchtprävention in Zeiten von Corona                 Das Tankmodell – Aktueller denn je  IMPRESSUM :   Medieninhaber und Herausgeber: Institut Suchtprävention, pro mente OÖ, 4020 Linz, Hirschgasse 44  Leitung: Christoph Lagemann, Mag. Dr. Rainer Schmidbauer  Redaktion: Mag. Günther Ganhör (Leitung), Mag. Peter Eberle, MA,  Dieter Geigle, MA,  Mag. Rosmarie Kranewitter-Wagner, Mag. Violetta Palka, Mag. Dr. Ilse Polleichtner, Mag. Tanja Schartner, MA, Grafik: Sabine Mayer Fotos: Adobe Stock, photocase, Institut Suchtprä ven tion  Druck: friedrich Druck & Medien GmbH Auf lage: 4.500  Stück   Preis: kostenlos   ZVR 811735276  Werte Leserinnen und Leser!     Als wir vor Monaten das Thema Lebenskompetenzen für die vorliegende Ausgabe unseres Präventionsmagazins wählten, konnte noch keiner ahnen wie schnell es gehen kann, dass wir alle uns plötzlich in einer Situation wiederfinden, in der wir diese Kom- petenzen dringender brauchen als Klopapier und Nudeln. Wenn man so viele Jahre und Jahrzehnte in den „ruhigen Gewässern“ unseres „Fluss des Lebens“ (Aaron Antonovsky) dahin schwimmt, könnte man glauben, das geht immer so weiter. Viele von uns haben vergessen, dass die nächsten „Stromschnellen“, die nächste Krise kommen wird – und zwar bestimmt!  Zurecht wird die aktuelle Krise rund um COVID-19 als die wesentlichste Herausforderung seit dem Ende des zweiten Weltkrieges betrachtet. Sie beschert uns Einschränkungen und Ängste auf vielen Ebenen. Gesundheitlich, sozial und ökonomisch. Wie eine jüngst veröffentlichte Studie gezeigt hat, sind die Auswirkungen der Pandemie auf die psy- chische Gesundheit bereits jetzt enorm. Bis eine Impfung zur Verfügung steht, wird es noch geraume Zeit dauern und es ist zu befürchten, dass so manche Probleme weiter anwachsen.  Deshalb ist die von Antonovsky gezogene Schlussfolgerung so alternativlos: um unbe- schadet durch die „unruhigen Gewässer“ (Krisen) zu kommen, müssen wir früh begin- nen, aus unseren Kindern „gute Schwimmer“ zu machen. Und zwar nicht erst dann, wenn die nächste Krise da ist! Wie das geht, können Sie im vorliegenden Magazin und auf unserer Homepage www.praevention.at nachlesen oder bei einem der vielen Semi-nare in unserem Haus erleben.  „Wenn man sich’s auswählen könnte, da weiß man’s nicht, und wenn man’s weiß, hat man die Wahl nicht mehr. Dies ist die Regel.“ So endet ein Text von Johannes Urzidil. Einen Beitrag zu leisten, dass diese Regel nicht immer und überall gilt, sehen wir als unsere Aufgabe im Institut Suchtprävention.   Christoph Lagemann | Dr. Rainer Schmidbauer Institutsleitung IM GESPRÄCH MIT KARINA WEICHOLD Interview: Günther Ganhör youtube.com/praeventionat  facebook.com/praevention.at instagramm.com/praevention.at Äußere Krisen bedeuten die große Chance,  sich zu besinnen. 2 Viktor Frankl, Dr. med. et Dr. phil., österreichischer Neurologe und Psychiater, (1905 –1997) Foto: Anne Gunther, FSU Jena Inhalt Editorial


Zeitraum einer Woche zu definieren, damit man auch als Elternteil etwas variabler ist und damit auch die Kinder nicht das Gefühl haben, dass sie stark hinterherhinken.  Wie schätzen Sie die Situation in den Schulen nach der Krise ein?  Wird es künftig schwieriger werden, Lebenskompetenzprogramme in den Unter-richt zu integrieren? Oder wird es gerade nach dieser Krise wichtiger denn je sein, über Lebenskompetenzen im Unterricht zu sprechen, die Situation aufzuarbeiten und daraus zu lernen?  Man wird zunächst mit der Situation konfrontiert sein, dass die Priorisie-rung der Schulen darauf liegt, ihre Kinder wieder an den Lehrstoff heran-zubringen. Das ist auch vollkommen legitim. Gleichzeitig ist es wichtig aus dieser Krisensituation zu lernen und zu erkennen, dass man bestimmte Kompetenzen auf jeden Fall fördern muss. Vielleicht bemerken die Schu-len diese große Bedeutung auch in der Nachschau zur Krise, wenn die Kinder wieder in den Klassen sind, wenn man analysiert, wo es gehakt hat, wo es Probleme gegeben hat, welche Kinder auf der Strecke geblie-ben sind. Man kann es auch als Chance sehen, dass die Lebenskompetenz-förderungsprogramme künftig mehr Gewicht bekommen. Ich denke es gibt viele gute Argumente dafür. Ich führe derzeit darauf bezogen auch eine Studie durch und wenn wir Glück haben, werden wir im Herbst dazu auch verlässliche empirische Daten haben.  Warum ist es wichtig, auch in den Sekundarstufen 1 und 2 Lebenskompetenzpro-gramme in den Schulunterricht einzubinden und nicht nur auf den Kindergarten und die Volksschule zu begrenzen?  Jugendliche benötigen in der Pubertät besonders viel Unterstützung. Das Verhältnis zwischen der Person und seiner Umwelt wird in dieser Um-bruchzeit auf die Probe gestellt und muss sich neu arrangieren. Angst, Un-sicherheit und Stress sind große Themen - bei den Jugendlichen wie auch bei den Eltern. Der normative Übergang in der Pubertät bringt auch Risi-ken für Problemverhalten mit sich. Wenn zu diesen Veränderungen wei-tere, nicht normative Veränderungen hinzukommen -dazu zählen etwa starke Konflikte in der Familie, verstärkte Konflikte in Krisensituationen, die Scheidung der Eltern, ein schwerer Unfall usw. - dann verstärkt sich die Belastung. Daher ist es gerade in dieser Lebensphase besonders sinn-voll, mit Lebenskompetenztrainings einzusteigen.  Jugendliche sollten beispielsweise lernen, effizienter zu kommunizieren oder sich nicht durch andere im gleichen Alter unter Druck setzen zu las-sen. Es verändert sich sehr viel im Körper, aber natürlich auch viel im In-neren, in den zerebralen Strukturen im Gehirn, im Frontalhirn, also in jenem Bereich des Gehirns, der unter anderem für die Steuerung und die Strukturiertheit mitverantwortlich ist. Dieser Bereich reift erst relativ spät und gerade deshalb brauchen Jugendliche in Bezug auf Strukturierung diese besondere Unterstützung von der Familie und vom Schulkontext. Das gilt auch für den Umgang mit starken Emotionen. Wir können nicht  glauben, dass jemand, der schon erwachsen aussieht nicht auch mit allen Proble-men gut umgehen kann. Das ist jedoch überhaupt nicht der Fall. Im Gegenteil: Man weiß, dass die Umstrukturie-rungsprozesse im Gehirn bis in die 20er-Jahre eines Men-schen andauern. Insofern kann ich nur ermutigen, die jungen Menschen beim Wachsen zu unterstützen  – und dazu zählt eben auch das sehr gute und effiziente Tool der Lebenskompetenz-programme.   Ist es in der Phase der Pubertät schwieriger mit Programmen zu Life Skills ein-zusteigen?  Das Optimum, das wir uns in der Lebenskompetenzerziehung wünschen, sind Programme, die im Kindergarten beginnen und in der Grundschule und in der Sekundarstufe usw. aufeinander aufbauen. Wenn man Vor-erfahrungen hat und schon früh, also vor der fünften Schulstufe, mit der Art des interaktiven Unterrichts zu tun hatte, dann fällt es einem in der Regel auch nicht schwer über Persönliches zu berichten, weil es normal ist, weil es auch eine Gewöhnung an die Methode ist. Schwierig ist auf jeden Fall, wenn man in Schulstufe 8 ankommt und verlangt wird: „Jetzt erzähle einmal, wie du dich in einer bestimmten Situation fühlst“. Da kann es natürlich sein, dass einzelne Personen nicht mitmachen werden und völlig überfordert sind durch diese Methode und sich selbst auch nicht öffnen wollen. Meine Erfahrungen mit dem IPSY-Programm, das bei uns  in Schulstufe 5 beginnt, sind sehr positiv. In diesem Alter kann man mit den Schulklassen noch sehr gut arbeiten. Es ist zu diesem Zeitpunkt kein Problem diese Methoden einzuführen – auch ohne Vorerfahrungen. Viele Lehrkräfte machen die Erfahrung, dass sich gerade Burschen in der Sekun-darstufe schwertun, sich zu öffnen und über persönliche Erlebnisse oder Gefühle zu berichten. Braucht es bei Life Skills Programmen, die in der Adoleszenz anset-zen, eine (noch) stärkere Differenzierung von geschlechtsspezifischen Inhalten?  Mädchen sind in diesem Alter sicherlich kommunikativ etwas gewandter und lassen sich vielleicht auch einfacher motivieren hier mitzuziehen. Das ist aber nicht unbedingt ein Problem, wie die Evaluationsergebnisse des IPSY Programms gezeigt haben. Denn Jungs profitieren gleichermaßen wie Mädchen von dem Programm. Und solange die Realität im Schulalltag auch gemischtgeschlechtlich ist, bin ich der Meinung, dass es keine stär-kere Geschlechtsdifferenzierung für die Implementierung eines Lebens-kompetenzprogramms braucht – zumindest nicht, solange man empirisch nachweisen kann, dass beide Geschlechter von den Programmen profi-tieren. Man kann geschlechtsspezifische Module für Jungs und Mädchen einfügen, aber das würde wiederum für die Implementation im Schulkon-text eine größere Herausforderung mit sich bringen. Denn wenn man Pro-grammteile für Jungs und Mädchen spezifisch durchführt, muss man die Klasse wieder teilen, muss man sich überlegen: Was machen die anderen während der Zeit? Man benötigt mehr Personal. Es gibt in diesem Bereich auch sozialpädagogische Angebote, die man „on top“ einsetzen kann, aber ein allgemeines Lebenskompetenzprogramm ist im Schulsetting rea-listischer umzusetzen als ein geschlechtsspezifisches Angebot.  Die Digitalisierung spielt in allen Lebensbereichen eine immer wichtigere Rolle. Wie kann man Lebenskompetenzprogramme so (weiter)entwickeln, dass sie von dem enormen Tempo der Weiterentwicklung digitaler Technologien nicht über-holt werden? Oder anders gefragt: Ist es notwendig, dass Life Skills Programme mit der technischen Entwicklung Schritt halten?   Der persönliche Austausch und die persönliche Interaktion sind für das Training von Lebenskompetenzprogrammen in der Schule das A und O. Wir wissen, dass die Einbindung der gelernten Inhalte in die tägliche In-teraktion der Lehrkräfte im Schulalltag auch für den Erfolg dieser Pro-gramme sehr wichtig ist. Vorstellbar ist sicherlich die Digitalisierung be- stimmter Module oder gewisse Formen des Online-Supports. Eine Not-wendigkeit der Digitalisierung bezogen auf die Implementation des Le-benskompetenzprogramms sehe ich aber nicht.   Ein Thema, das mit Life Skills zu tun hat, ist die Förderung von Kompeten-zen im digitalen Bereich bei Kindern und Jugendlichen. Das könnte ein zusätzlicher Baustein werden, wobei es hier auch spezifische Programme gibt, die Medienkompetenz bei Kindern und Jugendlichen vermitteln. Wir haben bei der ersten Welle der vorhin erwähnten Studie aber sehr schön zeigen können, dass jemand der sozial kompetent ist, der über Life Skills verfügt, auch mehr Medienkompetenz an den Tag legt. Empirisch belegen werden das erst die Ergebnisse der Längsschnittstudien, aber den Zusam-menhang gibt es, das kann man jetzt schon sagen.  Ein großes Problem bei der Implementierung von Lebenskompetenzprogrammen sind oft die mangelnden Umsetzungs-Ressourcen der Lehrkräfte. Würde es hier nicht ein generelles Umdenken in den Systemen benötigen, um den qualitäts-geprüften Life-Skills-Programmen ihren nötigen Platz einzuräumen?  Aus unserer Erfahrung in Deutschland lässt sich die große Mehrheit der Lehrer/innen und Sozialarbeiter/innen aufgrund von persönlichem Inte-resse schulen. Manchmal werden sie auch von der Schulleitung beschickt. Sozialpolitisch verordnet ist das aber nicht, es ist lediglich empfohlen. Unser Programm wird sehr oft empfohlen, aber natürlich sind auch wir mit dem Ressourcenproblem in den Schulen konfrontiert. Das betrifft zeit-liche Ressourcen, die Unterstützung im Kollegium, es betrifft auch Incen-tives. Wir arbeiten laufend daran und versuchen auch den Lehrkräften und Schulsozialarbeitern, die wir schulen, kleine Präsentationen vorzubereiten, damit sie auch selber in ihrem Kontext erklären können, was Life Skills sind und wie man das Programm durchführen kann – dass es machbar ist, welche Effekte es hat. Man könnte viel weiter gehen und versuchen Extrastunden in den Lehrplänen zu verankern, um so die Zeitproblematik herauszunehmen. Andere Länder sind hier weiter fortgeschritten. In Island etwa sind Life Skills auch im Curriculum, im Schulprogramm verankert. Da stellt man sich die Ressourcen-Frage gar nicht. Die Lehrkräfte haben dafür Zeit, weil Life Skills ein Schulfach sind wie Mathe, Deutsch oder Ethik. Aber solange das bei uns nicht so ist, muss man immer wieder schauen, dass man sich die Ressourcen selbst schafft. Ich würde mir na-türlich wünschen, dass vonseiten der Sozialpolitik auch an Incentives ge-dacht wird, dass man zum Beispiel den implementierenden Lehrern auch monetär einen Anreiz zukommen lässt und sich auf diese Weise dafür be-dankt, dass jemand diesen Extraaufwand betreibt, sich schulen zu lassen, um den Kindern Lebenskompetenzen nahe zu bringen. Das fände ich ein sehr positives und deutliches Signal von politischer Seite.  Prof. Dr. Karina Weichold  leitet an der Friedrich-Schiller-Universität  Jena die Professur für Psychologie und lehrt u.a. in den Bereichen Entwicklungspsychologie, Entwicklungspsychopathologie und Le-benspannenpsychologie und hat regelmäßige Lehraufträge an ver-schiedenen europäischen Universitäten, u.a. auch im Rahmen des Master- und Hochschullehrgangs für „Sucht- und Gewaltpräven-tion in pädagogischen Handlungsfeldern“ in Linz. Karina Weichold hat im Rahmen einer Expertengruppe der Weltgesundheitsorga-nisation maßgeblich an der Definition der zehn zentralen Kern-kompetenzen, die es im Rahmen der Lebenskompetenzförderung zu vermitteln gilt, mitgewirkt. Zudem war sie führend bei der Ent-wicklung des Life-Skills-Programm IPSY (Information + Psycho-soziale Kompetenz = Schutz) der Universität Jena. 3


              „Die Lebensphase Jugend ist geprägt von der unabwendbaren Entwick-lungsaufgabe, vom Kind zum Erwachsenen zu werden.“ Der prägnant for-mulierte Satz des deutschen Präventionsexperten Wolfgang Settertobulte beinhaltet sehr viel, denn das Erwachsenwerden ist bekanntlich eine An-gelegenheit, die über mehrere Jahre hinweg andauert und sich meist alles andere als einfach gestaltet. Der bekannte Kinder- und Jugendpsy-chiater Karl Heinz Brisch bezeichnet diese Übergangsphase als „beson-deren psychischen Belastungstest, weil in der Zeit der pubertären Reifung – einschließlich der sexuellen Entwicklung und derjenigen der Identität – durch die Auflösung von bisherigen neuronalen Verbindungen im Gehirn sowohl in den Gedanken als auch in den Gefühlen, mit Auswirkungen auf die Handlungen der Jugendlichen, große Turbulenzen entstehen, die in der Regel zu einer großen Schwierigkeit in der Stressregulation führen.“ Die Pubertät ist jedoch vor allem auch dadurch gekennzeichnet, dass es zu einer Verschiebung der sozialen Beziehungen kommt - von den primä-ren Bezugspersonen der Kindheit (den Eltern) zu den Gleichaltrigen (Peers). Erwachsene Bezugspersonen können Jugendliche durch die För-derung von sozialer Kompetenz beim Gelingen ihrer Entwicklungsauf-gaben, und vor allem auch beim Gelingen der Gleichaltrigen-Beziehun- gen unterstützen. Im schulischen Setting hat sich dabei der Ansatz der Lebenskompetenzförderung bewährt.  Lebenskompetenzen wie Kommunikationsfähigkeit, Selbstwahrnehmung, Stressregulation usw. helfen bekanntlich nicht nur Pubertierenden ihre Entwicklungsaufgaben zu bewältigen, sondern sind auch späteren Le-bensphasen, die von Umbrüchen oder kritischen Situationen geprägt sind, essenziell. Dies hat uns in den vergangenen Monaten die Corona-Krise deutlich vor Augen geführt. „Ich denke wir können im Moment viel vom Thema Lebenskompetenz lernen.“, sagt auch Karina Weichold im aktuellen fortyfour-Interview (siehe Seite 2). Denn Lebenskompetenzen basieren vielfach auf der Resilienzforschung. Resilienz bedeutet, verein-facht formuliert, sich besser zu entwickeln als dies unter bestimmten pro-blematischen Umständen normalerweise der Fall wäre. So eine Krisen- situation erleben wir derzeit mit den Auswirkungen des Corona-Virus. Der Übergang vom Kind zum Erwachsenen stellt in gewisser Weise ebenfalls eine, wenngleich nicht zwangsläufig als solche zu be-zeichnende, Krisensituation dar. In jedem Fall ist diese Lebensphase eine empfindliche und verletzbare.          DAS BOOTSMODELL    Eine von Suchtpräventionsexpertinnen und -experten gerne verwendete Umschreibung der Adoleszenz und ihren Herausforderungen ist das so genannte „Bootsmodell“ 1 . Kern dieses Modells ist die Vorstellung, dass  ein Jugendlicher mit einem Boot vom  Ufer des Kind-Seins zum Ufer des Er- wachsen-Seins unterwegs ist, wobei der Kurs dabei nicht genau festgelegt ist und das Ziel mehr oder weniger attraktiv erscheint. Ein  Leuchtturm am  anderen Ufer soll durch seine Leuchtkraft Orientierung bieten. Damit sind wir Erwachsene gemeint, die gefordert sind, durch unser „Strahlen“, durch unser Vorbild, unser Leben, das andere Ufer attraktiv zu machen. Die Überfahrt ist für die Jugendlichen aber nicht immer ein ruhiges Ge-wässer, sondern sie begegnen auf ihrer Überfahrt vielen  Wellen und Wo-  gen in Form von  Entwicklungsaufgaben.  Zentrale Themen dieser Ent- wicklungsaufgaben im Jugendalter sind dabei die Auseinandersetzung mit der eigenen Person (Selbstkonzept, Identität, Komponenten der Selbstregulation und Verantwortungsübernahme), die Gestaltung von Be-ziehungen (Bindung und Ablösungen im Kontext von Familie, Freund-schaft, Partnerschaft) und die Konkretisierung von Lebensentwürfen (personale, soziale und berufliche Kompetenz, Einstellungen und Wert-orientierung, Rollenübernahme und Entwürfe von Zukunft und Lebens-stil). 2   Jugendliche wählen im Laufe dieser turbulenten Überfahrt manch-  mal kurzfristige Lösungen. Diese  „Inseln“ können auch verschiedene Sub- stanzen oder Verhaltensweisen sein und stellen ebenfalls Herausforde-rungen dar. Denn die Inseln können beispielsweise Zufluchtsstätte vor den Wogen der Entwicklungsaufgaben sein, wenn Alkohol oder Zigaret-tenrauchen als Symbol des Erwachsen-Seins gesehen werden oder wenn alle unangenehmen Gefühle und Begleiterscheinungen der Entwicklungs-aufgaben, wie Leistungsdruck, Überforderung, etc. auf diese Weise aus-geglichen werden. Der Einsatz bestimmter Verhaltensweisen und Sub- stanzen kann aber auch der Teilhabe an subkulturellen Lebensstilen die-nen, um Anerkennung in der Gleichaltrigengruppe zu bekommen bzw. wird die Möglichkeit geboten, sich von elterlichen oder gesellschaftlichen Wertvorstellungen abzugrenzen. Die Jugendlichen lernen bei diesen  In- seln aber auch sinnbildlich das Anlegen ihres Bootes. Eine Fähigkeit, die sie auch später brauchen, wenn sie am Ufer des Erwachsen-Seins anlegen werden. Das heißt, wir Erwachsene sind auch gefordert, Begleiter und Vorbilder in Bewältigung von Lebensaufgaben und im Umgang mit Sub-stanzen zu sein.     LEBENSKOMPETENZFÖRDERUNG –  EIN STURMSICHERES „NAVIGATIONSTOOL“    Was das Bootsmodell sehr bildhaft beschreibt, ist eine der großen Stär-ken von Programmen zur Lebenskompetenzförderung. Denn der Life- Skills-Ansatz konzentriert sich nicht nur auf einzelne Fertigkeiten, wie etwa Programme zur Stressreduktion oder Konfliktbewältigung, sondern fördert eine Vielzahl an sozialen und persönlichen Fähigkeiten. Diese stel-len wichtige Schutzfaktoren dar, die vor der Ausbildung problematischer  Verhaltensweisen – oder wie im Bootsmodell als „zu langes Verwei-len auf Inseln“ dargestellt – schützen, indem sie, ähnlich einem Na-vigationsgerät Wege bzw. Methoden aufzeigen, die auch bei „stürmischer See“ ans Ziel führen. Dazu zählen beispielsweise Fertig-keiten wie der Umgang mit Gefühlen, Genussfähigkeit oder der Auf-bau eines stabilen, positiven Selbstwertgefühls. Die Weltgesund- heitsorganisation hat im Jahr 1994 zehn Kernkompetenzen formu-liert, die Kinder und Jugendliche befähigen sollen, „effektiv mit al-tersadäquaten Herausforderungen und Aufgaben des täglichen Le- bens umgehen zu können“ (siehe Seite 5).   4 Lebenskompetenz   als Fundament   für Krisenfestigkeit Ob es die allgegenwärtige Corona-Krise ist, die Adoleszenz oder andere kritische (Übergangs)Phasen im Leben eines Menschen: Die Fertigkeiten, die uns befähi-gen, effektiv mit Herausforderungen umzugehen und die Aufgaben des tägli-chen Lebens gut zu meistern, sind besonders in Krisenzeiten gefragt. Jugendliche brauchen diese „Life Skills“ in besonderem Maße und, um eine Reihe wichtiger Entwicklungsaufgaben bewältigen zu können. Denn werden diese Aufgaben nur unzureichend oder durch ausweichendes oder missbräuch-liches Verhalten bewältigt, wird die Gefahr einer Suchtentwicklung größer. Gleichzeitig besteht im Jugendalter noch eine große Offenheit gegenüber al-ternativen Lösungsmöglichkeiten. Daher kommt der Vermittlung von Lebens-kompetenzen gerade in der Adoleszenz eine große Bedeutung zu. © marina_larina/Adobe Stock


Unterschiedliche Praxisprojekte haben den  „Life Skills- Ansatz“, der ur- sprünglich in den USA von Gilbert Botvin entwickelt wurde, aufgegriffen, ihn modifiziert und erweitert. Lebenskompetenzprogramme kommen ge-genwärtig in unterschiedlichen Präventionsbereichen wie Sucht, Gewalt, Suizid, frühzeitige Schwangerschaft etc. zum Einsatz.  „Die Methoden zur Vermittlung von Lebenskompetenzen orientieren sich dabei in der Regel an Banduras Theorie des sozialen Lernens. Im Vorder-grund steht das Lernen anhand von eigenen Erfahrungen und der Beob-achtung von anderen. Um diese Lernprozesse zu unterstützen, werden die Kinder und Jugendlichen aktiv einbezogen. Typische Methoden sind Gruppenarbeiten, Rollenspiele, Diskussionen und Brainstorming.“, schreibt Peter Eberle, Leiter der Abteilung Schule Familie Kinder am In-stitut Suchtprävention, in seiner Masterthesis. 3    Für die praktische Umsetzung in der Schule wurden in vielen Ländern Life-Skills-Programme entwickelt, die durch altersgemäße Auswahl der Inhalte und Übungen die Lehrkräfte bei der Umsetzung unterstützen. Diese Programme sind häufig in Form eines mehrjährigen Spiralcurricu-lums aufgebaut. Das bedeutet, dass die zu fördernden Kompetenzen immer wieder – aber thematisch und inhaltlich angepasst an die jeweilige Entwicklungsstufe der Jugendlichen – aufgegriffen werden. 4    Lebenskompetenzprogramme führen nach Evaluationsergebnissen zu verbesserten Lehrer-Schüler Beziehungen. Dies wiederum erhöht die Wir-kung der Programme, da nach der psychologischen Interventionstheorie die Befriedigung des Bedürfnisses nach Bindung und Wohlergehen eine Voraussetzung dafür ist, dass sich persönliche und soziale Ressourcen aktualisieren und entwickeln lassen. 5    Die Schule bietet als Umsetzungsort für Lebenskompetenzprogramm  mehrere Vorteile: 6    •  Schule spielt eine zentrale Rolle bei der Sozialisierung von Kindern      und Jugendlichen.  •  Über die Schule können fast alle Kinder und Jugendlichen erreicht     werden.  •  In der Schule gibt es die Möglichkeit auf bereits pädagogisch ausgebil-   dete Lehrer/innen zurückzugreifen, wodurch der Schulungsaufwand für   die Multipli kator/innen minimiert wird und eine besonders hochwertige   Umsetzung zu erwarten ist.  •  Über die Schule lassen sich auch die Eltern gut erreichen. •  Die Schule bietet die Möglichkeit, durch relativ stabile Klassenverbände    das Lebenskompetenzprogramm über mehrere Jahre in Form eines    Spiral curriculums anzubieten.   •  Gleichzeitig bestehen in der Schule besonders gute Voraussetzungen    für Evaluierungsmöglichkeiten.   In der schulischen Suchtprävention haben sich aus den genannten Grün-den in den letzten zwei Jahrzehnten Programme, die dem Lebenskom-petenzansatz der WHO 7  folgen, weitgehend etabliert. Im Rahmen der  Suchtvorbeugung enthalten sie sowohl substanzspezifische Elemente (z.B. Informationen über Substanzen) als auch substanzunspezifische Ele-mente (z.B. Umgang mit Stress und Belastungen). Dies trifft insbesondere auch auf die vom Institut Suchtprävention angebotenen Unterrichts-Pro-gramme  Eigenständig werden (Volksschule), plus (Sekundarstufe I),  Wetter- fest (Sekundarstufe II, ab Herbst 2020)  oder  ready4life (Berufsschule) zu.  Der Erfolg der Programme, speziell im schulischen Bereich, ist jedoch immer stark an die Rahmenbedingungen gebunden. Das jeweilige Setting mit seinen Arbeitsbedingungen spielt eine wichtige Rolle. Voraussetzung für die Durchführung sind ein größtmögliches Maß an Vertrauen, ein po-sitives Klassenklima sowie ein grundsätzlich vertrauensvolles Verhältnis zwischen Schüler/innen und Lehrer/innen.   Günther Ganhör      Lebenskompetenzen | Life Skills       Die Weltgesundheitsorganisation (WHO) hat 1994 zehn Fähigkeiten und Fertigkeiten definiert, die Kinder und Jugendliche befähigen, „effektiv mit altersadäquaten Herausforderungen und Aufgaben des täglichen Lebens umgehen zu können“. Diese Lebenskompetenzen stellen wichtige Schutz-faktoren für ein suchtfreies Leben dar:    Die SELBSTWAHRNEHMUNG bezieht sich auf das Erkennen unserer eigenen Person, unseres Charakters, unserer Stärken und Schwächen, Wünsche und Abneigungen. Die Entwicklung der Selbstwahrnehmung kann uns helfen, zu erkennen, wann wir gestresst sind oder unter Druck stehen. Oft ist sie auch für effektive Kommunikation und inter-personale Beziehungen sowie für die Entwicklung von Empathie Voraussetzung.  EMPATHIE ist die Fähigkeit, sich in eine andere Person, auch in einer uns fremden Situa-tion, hineinzuversetzen. Empathie kann uns helfen, andere, die sich möglicherweise sehr von uns unterscheiden, zu verstehen und zu akzeptieren. Dies kann die soziale Inter-aktion zum Beispiel auch in Situationen ethnischer oder kultureller Verschiedenheit för-dern. Empathie kann ebenfalls helfen, fürsorgliches Verhalten gegenüber Menschen zu entwickeln, die hilfs- oder pflegebedürftig sind.  KREATIVES DENKEN erleichtert sowohl die Fertigkeit, Entscheidungen zu treffen als auch das Problemlösen, da wir unser Handeln und Nicht- handeln auf die vorhandenen Alternativen und die verschiedenen Konsequenzen hin überdenken können. Es hilft uns, über unseren direkten Erfahrungshorizont hinauszuschauen. Auch wenn wir nicht vor einem Problem stehen oder eine Entscheidung treffen müssen, kann uns kreatives Den-ken helfen, Alltagssituationen angemessen und flexibel zu meistern.  KRITISCHES DENKEN umfasst die Fertigkeiten, die man braucht, um Informationen und Erfahrungen objektiv zu analysieren. Kritisches Denken kann gesundheitsfördernd sein, da es uns hilft, die Einflussfaktoren auf unsere Einstellung und unser Verhalten (z.B. Wertvorstellungen, Gruppendruck, Medien) zu erkennen und einzuschätzen.  Die Fertigkeit, ENTSCHEIDUNGEN ZU TREFFEN, hilft uns dabei, konstruktiv mit Entschei-dungen umzugehen, die unseren Alltag betreffen. Dies kann sich insofern auf die Ge-sundheit auswirken, als dass junge Menschen bewusst über ihre gesundheitsbezogenen Handlungen entscheiden, indem sie die unterschiedlichen Optionen bedenken und die Folgen verschiedener Entscheidungen mit in ihre Entscheidung einbeziehen.  Die PROBLEMLÖSEFERTIGKEIT befähigt uns, Probleme in unserem Alltag konstruktiv anzugehen. Bedeutsame Probleme, die nicht gelöst werden, können psychischen Stress verursachen und körperliche Belastungen hervorrufen. (Mittels einer Problemlösestra-tegie aus vorgegebenen Schritten können Probleme systematisch angegangen werden.)  EFFEKTIVE KOMMUNIKATIONSFERTIGKEIT heißt: Wir sind fähig, uns angepasst an die Kultur und Situation sowohl verbal als auch nonverbal auszudrücken; das heißt, wir sind in der Lage, Meinungen und Wünsche, aber auch Bedürfnisse und Ängste zu äußern. Ef-fektive Kommunikation beschreibt auch die Fertigkeit, in einer Notsituation um Rat und Hilfe zu bitten.  Unter INTERPERSONALEN BEZIEHUNGSFERTIGKEITEN wird verstanden, dass man fähig ist, Freundschaften zu schließen und aufrechtzuerhalten. Dies kann sehr wichtig für unser psychisches und soziales Wohlbefinden sein. Gute Be-ziehungen zu Familienmitgliedern zu haben, die eine wichtige Quelle des sozialen Rück-halts sind, kann ebenfalls dazu gehören. Auch gehört die Fertigkeit dazu, Beziehungen konstruktiv zu beenden.  GEFÜHLSBEWÄLTIGUNG umfasst das Bewusstwerden unserer eigenen Gefühle und denen anderer, das Erkennen, wie Gefühle Verhalten beeinflussen sowie die Fertigkeiten, angemessen mit Gefühlen umzugehen. Intensive Gefühle wie Wut oder Trauer können sich negativ auf unsere Gesundheit aus-wirken, wenn man nicht entsprechend auf sie reagiert.  STRESSBEWÄLTIGUNG beinhaltet das Erkennen der Ursachen von Stress im Alltag und wie sich dieser auf uns auswirkt sowie das Beherrschen von Strategien, die helfen, das Stressniveau zu kontrollieren. Dies kann bedeuten, dass wir zum Beispiel die Einstellung zu unserem Körper oder unserem Lebensstil verändern, um die Ursachen des Stresses zu reduzieren.    WHO-Definition von Lebenskompetenzen, deutsche Fassung aus: BZGA, Gesundheitsförderung durch Lebenskompetenzprogramme in Deutschland, Köln, 2005 „Lebenskompetenzen sind diejenigen  Fähigkeiten, die einen angemessenen Um- gang sowohl mit unseren Mitmenschen als  auch mit Problemen und Stresssituationen  im alltäglichen Leben ermöglichen. Solche Fähigkeiten sind bedeutsam für die  Stärkung der psychosozialen Kompetenz.”    WHO, 1994 5 1   zitiert aus: Akzente Salzburg, Das Bootsmodell, nach C. Kahr, Vivid.  2  Eva Dreher, Jugend verstehen – eine entwicklungspsychologische Skizze, in: Jugend inside, Nr. 1/2010  3  Peter Eberle, Lebenskompetenzförderung in elementaren Bildungseinrichtungen, Masterthesis, Linz, 2017  4  Eberle, 2017  5  Petermann, Roth, 2006, Suchtprävention im Jugendalter  6  Peter Eberle, 2017  7  WHO (1997). Life skills education in schools. Geneva, Switzerland: World Health Organization.  


Neben den traditionellen Lernzielen der Schule bekommt die Förderung der Persönlichkeitsentwicklung der Kinder und Jugendlichen einen im- mer wichtigeren Stellenwert. Ein Mindestmaß an persönlichen und so-zialen Ressourcen und Fähigkeiten ist nicht erst für spätere Berufsaus-sichten, sondern für das Lernen an sich und das Miteinander in der Klasse Voraussetzung. Damit aber die Kompetenzen mit den Herausforderungen wachsen können, brauchen die Kinder und Jugendlichen kompetente Un-terstützung und Begleitung sowie ein geschütztes Übungsfeld. Beides kann und soll eine gute Schule leisten.   In der schulischen Suchtprävention haben sich in den letzten zwei Jahr-zehnten Präventionsprogramme, die dem Lebenskompetenzansatz der WHO 1  folgen, weitgehend etabliert. In Oberösterreich wird seit über  einem Jahrzehnt erfolgreich das Präventionsprogramm plus in der Sekun-darstufe 1 eingesetzt. Es unterstützt Kinder und Jugendliche gezielt bei der Entwicklung kognitiver, sozialer und emotionaler Kompetenzen, die es ihnen ermöglichen, anstehende Entwicklungsaufgaben positiv zu be-wältigen. Dadurch wird die Wahrscheinlichkeit der Entstehung und Auf-rechterhaltung von sozial unangepassten und schädlichen Verhaltens- weisen, insbesondere von Sucht- und Missbrauchsverhalten, verringert. Das qualitätsgesicherte Unterrichtsprogramm zur Sucht- und Gewaltprä- vention wurde von den österreichischen Fachstellen für Suchtprävention entwickelt. Die über vier Jahre verteilte Ausbildung der Lehrkräfte erfolgt in Oberösterreich am Institut Suchtprävention in Linz.  plus besteht aus insgesamt 40 Unterrichtseinheiten, die im Zeitraum von  4 Schuljahren von dafür ausgebildeten Lehrkräften in ihren Klassen umgesetzt werden. Die Schüler und Schülerinnen lernen:  •  sich selbst und die anderen besser kennen und wahrnehmen •  effektiv zu kommunizieren und ihre eigenen Bedürfnisse auszudrücken  •  den konstruktiven Umgang mit unangenehmen Gefühlen und Stress •  das konstruktive Bearbeiten und Lösen von Konflikten und Problemen  Neben der Förderung der Lebenskompetenzen ist der Aufbau eines posi-tiven Klassenklimas ein zentrales Ziel dieses Programms. In der Abbildung  oben sind die Themen des Präventionsprogramms aufgelistet. Jedes Thema umfasst zwei Unterrichtseinheiten. Neben der Schulung von in-trapersonalen und interpersonalen Kompetenzen ist pro Schuljahr auch ein suchtspezifisches Thema verankert. Bei der Gestaltung der Unter-richtseinheiten wurde darauf geachtet, dass die Jugendlichen möglichst aktiv eingebunden sind und die Inhalte altersadäquat aufbereitet sind.  6 In der Zeit des Übergangs vom Kind zum Erwachsenen benötigen Jugendliche – auch wenn sie es meist nicht zugeben – viel an Unterstützung. Lebenskompetenz-programme, die im Schulkontext zum Einsatz kommen, können dabei nicht nur die Wahrscheinlichkeit des Auftretens schädlicher Verhaltensweisen, wie z.B. Sucht oder Gewalt verringern, sondern gleichzeitig die Entwicklung kognitiver, sozialer und emotionaler Kompetenzen positiv beeinflussen. In Oberösterreich wird seit über einem Jahrzehnt erfolgreich das Präventionsprogramm plus in der Sekundar-stufe 1 eingesetzt. Das qualitätsgesicherte Unterrichtsprogramm zur Sucht- und Gewaltprävention verfolgt dabei einen umfassenden Ansatz, der nicht nur die Schülerinnen und Schüler, sondern auch deren Eltern und Lehrkräfte einbindet. Basis des Erfolgsprogramms ist der Lebenskompetenzansatz. 6. Schulstufe  Identität  Umgang mit Stress  Konflikte  Helfen und helfen lassen  Medien 7. Schulstufe  Selbstbewusstsein  Verantwortung  Freundinnen/Freunde  Mädchen und Burschen  Nikotin 8. Schulstufe  Werbung  Alkohol  Streiten  Scheitern und Verlieren  Freizeit und Feiern 5. Schulstufe  Die Klasse  Ich selbst  Die anderen  Konsum  Miteinander THEMEN DES PRÄVENTIONSPROGRAMMS PLUS © S yda Pr oduc tion s/ Adobe Stock Mit Life Skills durch die Pubertät:


Ein Jahrzehnt plus in Oberösterreich, wie fällt das Kurzresümee dazu aus?   Das Programm wird in Oberösterreich seit dem Schuljahr 2009/10 durchgeführt und erfreut sich großer Beliebtheit. plus kommt bei den Lehrkräften extrem gut an. Das merken wir an der starken Nachfrage und den hohen Anmeldezahlen. Wir müssen fast keine Werbung ma-chen, die Kurse füllen sich beinahe von selbst. Denn in vielen Schulen hat sich plus so stark etabliert, dass von der Schulleitung jedes Jahr die Klassenvorstände der ersten Klassen zu plus angemeldet werden. Dies ist natürlich in unserem Sinne, denn nur wo plus wirklich fest in den Schulbetrieb verankert ist und viele Lehrkräfte das Präventionsprogramm mit-tragen, lässt sich nachhaltig Wirkung erzielen.    Wo liegen aktuell die Herausforderungen?   Für die Lehrkräfte sind oft die knappen zeitlichen Ressourcen eine große Herausforderung. Bei plus geht es ja darum, dass die Lehrkräfte die suchtpräventiven Unterrichtseinheiten in ihren Klassen umsetzen. Im Manual sind dafür 10 Unterrichtseinheiten aus- gearbeitet, die aber inklusive der Ergänzungsmodule „Stoff“ (oder Ideen) für bis zu 25–30 Unterrichtsstunden liefern.    Unsere Erhebung hat gezeigt, dass viele Lehrkräfte in der 5. Schulstufe eine eigene Schul-stunde für soziales Lernen haben, manche auch noch in der 6. Schulstufe. Ab der 7. Schul-stufe ist es aber mit den zusätzlichen Ressourcen großteils vorbei, d.h. plus muss in den Fachunterricht integriert werden. Und das ist mitunter sehr schwierig, da der (heimliche) Druck des Lehrplans sehr groß ist. Da wir die Lehrkräfte über die 4 Jahre hinweg ja mit Schu-lungsmaßnahmen begleiten, bekommen wir das an den plus-Seminartagen hautnah zu spüren.  Wie viele Lehrkräfte konnten bislang das plus-Programm umsetzen?   In den Jahren 2009-2015 starteten jährlich ca. 80 Lehrkräfte die vierjährige plus-Ausbildung. Seit Beginn der Förderung über den oö Gesundheitsförderungsfond im Herbst 2015 konnten wir die Ausbildungskapazitäten fast verdoppeln, das heißt seit 2015 starteten jährlich ca.  145  Lehrkräfte. Insgesamt haben bereits 577 Lehrkräfte die vierjährige plus-Ausbildung voll- ständig absolviert, weitere 553 Lehrkräfte absolvieren derzeit die Ausbildung. 3 Fragen an Mag. Dr. Ilse Polleichtner     Maßnahmenverantwortliche für das Programm plus am Institut Suchtprävention Schulung von Lehrkräften – Einbindung der Eltern    Da in den Schulen nur zum Teil im Stundenplan fixierte Unterrichtsein-heiten für „soziales Lernen“ zur Verfügung stehen, erfolgt die Umsetzung des Programms vorwiegend im Regelunterricht. Das heißt die Lehrkräfte müssen die Stunden ihres Fachunterrichts für die Durchführung des Prä-ventionsprogramms verwenden, es gibt für sie seitens der Schulorgani-sation kaum zusätzliche zeitliche Ressourcen. „Aus diesem Grund empfehlen wir, dass sich pro Schulklasse zwei bis drei Lehrkräfte für die Umsetzung von  plus verantwortlich zeigen.“, erläutert Dr. Ilse Polleichtner,  die am Institut Suchtprävention für die Ausbildung der Lehrkräfte verant-wortlich ist. Denn die Zusammenarbeit im Lehrer/innen-Team gewähr-leistet die Möglichkeit der Arbeitsaufteilung und des Erfahrungsaus- tausches.  Eine begleitende Schulung unterstützt die Lehrkräfte bei der Durchfüh-rung von  plus. Im ersten Jahr der Umsetzung umfasst die Schulung 2,5  Seminartage (1,5 Tage am Beginn des Schuljahres, 1 Tag am Beginn des 2. Semesters), in den folgenden Schuljahren gibt es jeweils einen Semi-nartag zu Schulbeginn. Die Teilnahme an den Schulungen ist für Lehr-kräfte, die  plus in ihren Klassen umsetzen wollen, verbindlich. Diese Schu-  lungen werden in Kooperation mit den Pädagogischen Hochschulen durchgeführt und werden den Lehrkräften für ihre Fortbildungsverpflich-tung angerechnet.  Bei den Schulungen erhalten die Lehrkräfte das vorgefertigte Unterrichts-manual, das aus zehn Unterrichtseinheiten pro Schuljahr besteht. Die Un-terrichtseinheiten sind so detailliert beschrieben, dass der Vorbereitungs- aufwand der Lehrkräfte minimal gehalten werden kann. In den Schulun-gen werden zum einen die Grundlagen der Lebenskompetenzförderung thematisiert, andererseits werden die Lehrkräfte auf das praktische Ar-beiten mit  plus vorbereitet. Ziel der Schulungen ist bei den Lehrkräften  eine persönliche Auseinandersetzung mit dem inhaltlichen Konzept von plus zu bewirken. Wesentlich ist auch die spezifische Rolle, die Lehrkräfte bei der Umsetzung des Präventionsvorhabens einnehmen, zu verdeutli-chen.  Nur so kann die nötige Klarheit und eine nachhaltige Motivation geschaffen werden, die die kontinuierliche und langfristige Umsetzung des Präventionsprogramms  plus im eigenen Unterricht möglich macht.   Die Wirksamkeit von persönlichkeitsstärkenden und suchtvorbeugenden Maßnahmen ist umso größer, je besser die Zusammenarbeit zwischen Schule und Elternhaus funktioniert. Die Eltern werden daher nicht nur über die Durchführung des Programms in der Schule informiert, sie wer-den auch eingeladen, die präventiven Grundsätze zuhause anzuwenden und so die Nachhaltigkeit zu unterstützen. Einmal pro Schuljahr gibt es einen Elternbrief (in 10 Sprachen), der über das Programm und die Um-setzung in der Schule informiert. Darüber hinaus gibt es pro Schuljahr eine Aktivität, mit der die SchülerInnen zu Hause an das Programm an-knüpfen können. Ergänzt wird die Einbindung der Eltern durch Elternvor-träge die vom Institut Suchtprävention kostenfrei zu den Themen Medien, Nikotin oder Alkohol angeboten werden. Für die Präsentation des  plus- Programms beim Elternabend bzw. im Klassenforum werden Folien zur Verfügung gestellt, die die Ziele und Inhalte von  plus zusammenfassen.     Folgende Auflistung umschreibt die Themen für die 5. Schulstufe, in der einige sehr grundlegende Schutzfaktoren aufgebaut bzw. gefestigt werden:     DIE KLASSE – Wir lernen uns kennen /  Wir sind eine Klasse     •  Unterstützung der Gruppenentwicklung in der Klasse   •  Förderung des Kennenlernens •  Schüchternheits- und Fremdheitsgefühle überwinden •  Unterschiede und Gemeinsamkeiten wahrnehmen •  Vertrauen entwickeln •  Erwartungen formulieren und Bedürfnisse aussprechen •  Regeln als wichtig für den Erfolg einer Gruppe erkennen •  Grundlegende Verhaltensregeln (Klassenregeln) erarbeiten    ICH SELBST – Ich bin ich | Meine Gefühle    •  Selbstwahrnehmung·  •  Stabilisierung und Stärkung des Selbstwertgefühls •  Sich eigener Stärken/Schwächen bewusst werden und diese     selbstbewusst äußern  •  Eigene Gefühle wahrnehmen und akzeptieren •  Eigene Gefühle verbal und nonverbal ausdrücken (Gefühlewortschatz!) •  Gefühle und körperliche Reaktionen in Verbindung bringen      DIE ANDEREN – Was ist denn hier los?/  Wie geht es dir denn?    •  Bedürfnisse anderer (allein und in Gruppen) wahrnehmen •  Sich einen Überblick verschaffen •  Körpersprache verstehen •  Sich in andere einfühlen können •  Aufmerksam zuhören    THEMA: KONSUM   •  Reflexion des eigenen Konsumverhaltens und erste Erfahrungen     mit Verzicht.    THEMA: MITEINANDER    •  Ausdrücken können, was ich sagen will, und verstehen,     was der andere sagen will.  •  Regeln für das Sprechen und Zuhören kennen und anwenden •  Nonverbale Ausdrucksmöglichkeiten bewusst machen und erweitern •  Rückmeldungen geben und bekommen •  Sich selbst behaupten •  Verschiedene Reaktionsmöglichkeiten kennen und ausführen können  Eine österreichweite  Evaluationsstudie der Universität Innsbruck, die das   Präventionsprogramm  plus in den Jahren 2009–2013 umfangreich unter- sucht hat 2 , ist zu dem Ergebnis gekommen, dass  plus in Zusammenhang  mit einem signifikant geringeren Anstieg der Konsumerfahrungen mit Zi-garetten und Alkohol im Alter zwischen 13 und 14 Jahren steht. Zudem konnte ein signifikant geringerer Anstieg von Verhaltensproblemen und von Problemen mit Gleichaltrigen in der Selbsteinschätzung der Schü- ler/innen festgestellt werden. Das Ausmaß an Problemen mit Gleichalt-rigen ist dabei insofern von besonderer Bedeutung, als die Peergruppe bei Jugendlichen ein wesentliches Entwicklungsumfeld darstellt. Die Eva-luation zeigt, dass das  plus-Ziel erreicht wird, wenn das Programm wie  vorgesehen umgesetzt wird.  Ilse Polleichtner, Günther Ganhör   7 AUS DER   PRAXIS 1   WHO (1997). Life skills education in schools. Geneva, Switzerland: World Health Organization.    2   Florian Juen, Universität Innsbruck, Institut für Psychologie, „Evaluierung des Präventionsprogrammes plus“, Innsbruck     2013, in: Juen, Florian & Polleichtner, Ilse (2017). PLUS: Österreichisches Präventionsprogramm für die 5. – 8. Schulstufe.    SuchtMagazin (6): 21–24.  Präventionsprogramm „plus” 


Das Programm „Wetterfest“ unterstützt Lehrpersonen mit Übungen und deren Umsetzung in der Klasse zur Förderung von Lebenskompetenzen ab der 9. Schulstufe. Ein umfassender praktischer Teil – genannt  „Praxis- heft“ – mit zahlreichen Übungen sowie ein ausgewogenes Skriptum – ge-nannt  „Theorieteil“ – bieten die professionelle Voraussetzung, damit  Lehrkräfte die Inhalte gut und zufriedenstellend umsetzen können.  Ziel von „Wetterfest“ ist die Stärkung der Lebenskompetenzen, damit Ge-sundheit im Allgemeinen und Suchtprävention im Speziellen gefördert, das Wohlbefinden jedes Einzelnen, das Klassenklima verbessert und da-durch die Lernmotivation gesteigert wird.   Sorgen, Streit, Misserfolg, Stress oder Liebeskummer kommen einer aus-geglichenen Motivation oft in die Quere. Ein Klassenklima, das durch pro-blematische Kommunikationsprozesse und Ausgrenzung gekennzeichnet ist, stellt ebenfalls einen Belastungsfaktor dar. Entwicklungspsychologi-sche Phänomene der Pubertät und Adoleszenz erleichtern nicht immer diese Phase des Heranwachsens.  „Wetterfest“ kann dem entgegenwirken indem sich Jugendliche wichtige Kompetenzen aneignen, um sich für alle Wetterlagen des Lebens zu rüs-ten. Konkret fördert Wetterfest folgende  Schlüsselkompetenzen: (Selbst-)Re- flexion, Einfühlungsvermögen, authentische Kommunikation, aktive Kon- fliktgestaltung, sich selbst und das eigene Leben verstehen, Krisenbewäl-tigung, Wachsen an Problemen und Förderung von kreativen Ideen.  Diese sind eingebettet in drei Bezugsebenen:   •   Selbstbezug: Am Selbstbild, dem Selbstwert und der Selbstein-    schätzung arbeiten  •   Sozialbezug: In Gruppen leben, Freundschaften pflegen  •   Weltbezug: Welt verstehen, Horizont erweitern, um Ecken denken,     Probleme lösen   Für diese Ebenen stehen Entspannungs- und Achtsamkeitsübungen, Stille-Übungen, Phantasiereisen, Kreative Methoden, Rollenspiele und Verhaltensübungen zur Verfügung. Diese werden im Einzelsetting, als Gruppenarbeit oder im Plenum durchgeführt. Das Programm bietet zu-sätzlich viele Möglichkeiten zur Selbstreflexion.  Beispiel für eine Übung aus dem Bereich „Sozialbezug“:   Übung zum Thema „Solidarität“ in Form einer Teamarbeit:  altersentspre-chende Probleme werden auf Tafel oder Flipchart gesammelt. Danach werden die SchülerInnen aufgefordert einzeln darüber nachzudenken, was sie bereits erfolgreich gelöst haben, d.h. worin manche schon Ex-pert/innen sind. Anhand dessen wird eine Unterstützungskarte angefer-tigt, die darüber Auskunft gibt, wer sich worin als ExpertIn sieht und in welcher Form anderen Unterstützung gegeben werden kann.  Die Förderung besteht in einem selbstgewählten Konzept der Lehrerin/ des Lehrers anhand der beschriebenen Übungen im „Praxisheft“ und soll über einen bestimmten Zeitraum, regelmäßig erfolgen. SchülerInnen sol-len darin möglichst positive und konsistente – auf dem jeweiligen Lern-feld basierende – (Lern-)Erfahrungen machen können.    Warum „Wetterfest“?    Das Programm wurde von der Pädagogischen Abteilung der Bildungs-direktion Südtirol konzipiert und wird dort seit 2018 erfolgreich umgesetzt.  „Wetterfest“ reiht sich am Institut Suchtprävention neben „Eigenständig Werden“ für die 1.– 4. Schulstufe und „plus“ für die 5.– 8. Schulstufe per-fekt in bereits erfolgreiche und langerprobte Programme zur Lebenskom-petenzförderung ein. Damit wird auch den zahlreichen Anfragen von LehrerInnen an der Oberstufe Rechnung getragen.   Die Wirksamkeit von Lebenskompetenzprogrammen im Setting Schule wurde in vielen Studien bestätigt. Die Förderung von Lebenskompeten-zen kann Problemlagen wie Suchtentwicklung oder Gewaltausübung ent-gegenwirken und die psychische Gesundheit verbessern. Jugendliche in der Adoleszenz haben sehr viele, zum Teil miteinander konkurrierende Entwicklungsaufgaben, wie zum Beispiel die Akzeptanz der körperlichen Veränderungen, die Entwicklung einer beruflichen Perspektive und den Erwerb einer anerkannten Position in der Gleichaltrigengruppe zu bewäl-tigen. Diese Lebensphase der Jugendlichen ist geprägt von körperlichen, neuropsychologischen, psychischen und sozialen Veränderungen die sie bewältigen müssen.   Dafür kann das Programm „Wetterfest“ ein Rüstzeug mitgeben, das sich auf Selbstreflexion, Austausch und Auseinandersetzung mit dem Gegen-über bzw. Gruppen bezieht, aber auch auf einer übergeordneten gesell-schaftlichen Ebene ansetzt. Diese Struktur bzw. dieses Konzept entstammt der Grundidee der  Themenzentrierten Interaktion nach Ruth C. Cohn, wo- nach sich die eigene Person – also das  „Ich“ –, das Gegenüber – genannt  das  „Wir“, der Sachinhalt – oder das „Thema“ – im Kontext eines gemein- samen Ganzen – sprich  „Globe“ – in einem Wechselspiel befinden.   Die theoretischen Grundlagen orientieren sich an Inhalten wie der Salu-togenese von Aaron Antonovsky, der Resilienzforschung von Emmy Wer-ner, dem generellen Konzept der Lebenskompetenzen der WHO sowie an den Erkenntnissen der Entwicklungspsychologie.  An dieser Stelle ist festzuhalten, dass vor allem der Einbezug der Lehre-rin/des Lehrers sehr bedeutsam ist. Die Lehrperson ist bei „Wetterfest“ ein Teil eines Entwicklungsprozesses, schätzt die Klasse ein und konzipiert Unterrichtseinheiten anhand des zur Verfügung gestellten Unterrichts-manuals. Auch Lehrkräfte sollen in diesem Sinne „Wetterfest“ gemacht werden, in dem Wissen um ihre wichtige Rolle als BegleiterInnen UND Lehrende. Dabei wird von einer partizipierenden Anleitung der Übungen ausgegangen, worin sich Lehrkräfte gegebenenfalls auch selbst mit ihrem Erlebten einbringen und beteiligen (z.B. Befindlichkeitsrunden). Sie sind dabei sowohl ModeratorIn, ExpertIn, BeobachterIn als auch TeilnehmerIn.    Wann startet das Projekt, für welche Zielgruppe steht es  zur Verfügung und wie kann es gebucht werden?     Das Programm startet im Herbst 2020 mit buchbaren schulinternen Leh-rerInnenfortbildungen (SCHILFs zu je zwei Halbtagen) und einem Semi-narangebot an der Pädagogischen Hochschule OÖ.  „Wetterfest“ richtet sich an Lehrkräfte der Oberstufe. Im Herbst 2020 wird zunächst mit den berufsbildenden mittleren und höheren Schulen (BMHS) sowie den polytechnischen Schulen (PTS) gestartet, da hier noch kein standardisiertes Programm zur Lebenskompetenzförderung vorhan-den ist.  In der Fortbildung werden die theoretischen Grundlagen des Programms vorgestellt und anhand praktischer Übungen verdeutlicht bzw. geschult. Zusätzlich bieten wir den teilnehmenden Lehrkräften Unterstützung bei der Umsetzung in der Klasse an. Weitere Informationen zu diesem Life- Skills-Angebot sowie Details zur Anmeldung erhalten Sie auf unserer Website unter  www.praevention.at/wetterfest.  Dieter Geigle, Peter Eberle     KONTAKTPERSON: DSA Dieter Geigle, MA Abteilung Schule-Familie-Kinder +43 (0) 732 77 89 36 - 44   LEBENSKOMPETENZPROGRAMM WETTERFEST Im Schuljahr 2020 startet das Institut Suchtprävention erstmals in Oberöster-reich ein Lebenskompetenzprogramm für die Oberstufe. Dabei setzt man auf eine Adaption des bereits in Südtirol erfolgreich erprobten Programms „Wet-terfest“, das sich neben den bereits etablierten Life Skills Angeboten perfekt in bereits erfolgreiche und langerprobte Programme zur Lebenskompetenz-förderung einreiht. Damit wird auch den zahlreichen Anfragen von Lehrkräften Rechnung getragen. Wetterfest  durch stürmische Zeiten 8 © Ma thias K arne r/ Adobe Sock


Seit rund einem Jahr, seit März 2019, hat das Institut Suchtprävention mit "ready4life" ein neues, interaktives, digitales Lebenskompetenzprogramm im Angebot, das speziell für Lehrlinge konzipiert   wurde. Es handelt sich  dabei um ein Coaching-Programm, das sowohl auf Face-to-Face-Informa-tion als auch auf digital vermittelte Inhalte setzt. Der Zugang zu diesem Projekt erfolgt über Berufsschulen und Lehrbetriebe, die einen zweistün-digen Workshop buchen können, der in Kooperation mit der Österreichi-schen Gesundheitskasse angeboten wird. Im Mittelpunkt stehen der Um- gang mit Stress und die Wirkung von Substanzen – im speziellen von Tabak. Wer sich für das Programm entscheidet, erhält via Mobiltelefon ein kostenloses 4-monatiges digitales Coaching. Dabei setzen sich die Jugend-lichen mit ihren Stressbewältigungsstrategien, Umgang mit anderen und ihrem Umgang mit eigenen Gefühlen auseinander.  Die  Bilanz von „ready4life” fällt überaus erfreulich aus: So wurden im ersten  Projektjahr an 17 oö. Berufsschulen und 7 Polytechnischen Lehrgängen in Summe 194 Workshops durchgeführt. Dabei haben 1079 Schülerinnen und Schüler freiwillig beim 4-monatigen Coachingprogramm mitgemacht! Viele davon haben das Programm mit der maximal möglichen Punktezahl abgeschlossen. Als Belohnung für diese Leistung erhielt jede/r Teilneh-mer/in einen kleinen Überraschungspreis. Zudem wurden dank der freund- lichen Unterstützung von öticket und Star Movie drei attraktive Haupt-preise verlost, die im Dezember 2019 am Institut Suchtprävention über-reicht wurden (siehe auch S.14).    Weiterentwicklung mittels Smartphone-App    Seit Beginn dieses Jahres wird in Österreich an einer Weiterentwicklung von ready4life gearbeitet, der  „ready4life-chatbot-App“. Diese wird gemein- sam mit den Projektpartnern (siehe unten) entwickelt und steht somit nicht nur Lehrlingen in Österreich, sondern auch in Deutschland und der Schweiz zur Verfügung. Damit wird es möglich sein, ready4life mittels eigener Smartphone-App zu nutzen. Nach der Installation erfolgt eine kurze Eing-angsbefragung zu persönlichem Stresslevel, Alkoholkonsum, Online-Zeit etc. Laut diesen Angaben werden von der App Fragen und Antworten gen-eriert. Die Teilnehmer/innen können anschließend einen  Avatar als fiktiven  Chat-Partner bzw. Berater/in wählen. Nachdem sich die Jugendlichen für zwei von insgesamt sechs zur Verfügung stehenden Modulen entschieden haben, ist es (freiwillig) möglich, ein- bis zwei-Mal wöchentlich mit seinem Avatar zum Thema des gewählten Moduls zu chatten.   Die Module behandeln die Themen:    •   Stress  •   Sozialkompetenz  •   Tabak   Die Dauer für die Absolvierung eines Moduls beträgt 8 Wochen. Mittels des  „Ask the Expert“-Tools gibt es zusätzlich zum datenbankbasierten Ava- tar-Chat die Möglichkeit mit einem realen Gegenüber in Kontakt zu treten und persönliche Fragen zu stellen, die von Experten und Expertinnen des Institut Suchtprävention vertraulich beantwortet werden.  Das erweiterte Projekt wird mit finanzieller Unterstützung des Fonds Ge-sundes Österreich im Oktober 2020 mit Workshops an Berufsschulen und Polytechnischen Schulen gestartet. Eine Evaluation durch die JKU Linz ist ebenfalls fixiert. Die Reihe der Kooperationspartner hat sich neben bisher bereits beteiligten Organisationen der Lungenliga Schweiz und dem ISGF Zürich um die Universität Lübeck erweitert. Ab 2021 ist dann in Kooper-ation mit den Fachstellen für Suchtprävention (Österreichische ARGE Suchtvorbeugung) ein bundesweites Roll-out für Österreich geplant.    Die wichtigsten Ziele der Chatbot-App „ready4life“ sind:     •  Förderung allgemeiner Lebenskompetenzen •  Stärkung der Stressbewältigungs- und Kommunikationsfähigkeit •  Unterstützung in der Bewältigung von Konflikten in der Berufsschule     und Lehre  •  Förderung der Widerstandsfähigkeit gegenüber riskantem      Substanzkonsum  •  Förderung kompetenter Mediennutzung     Programmablauf    Im Zuge des Workshops  „be smart“, der in Kooperation mit der ÖGK in Be- rufsschulen und Betrieben durchgeführt wird, erfolgt auch eine Vorstel-lung der App inklusive Eingangsbefragung. Folgen Jugendliche der Einla- dung zum Programm, erhalten Sie ein persönliches Risiken-/Ressourcen-profil mit einer Empfehlung zur Themenwahl. Ist diese erfolgt, startet ready4life mit zwei selbstgewählten Modulen. Insgesamt dauert das Pro-gramm pro Teilnehmer/in 4 Monate. Als Belohnung für die freiwillige Stär-kung ihrer Lebenskompetenzen erhalten alle teilnehmenden Jugendlichen ein kleines Dankeschön. Zudem werden unter den Teilnehmer/innen ei-nige wertvolle Hauptpreise verlost.  Günther Ganhör, Tanja Schartner   ready4life – ein Lebenskompetenz-  programm mit Perspektive Um die aus präventiver Sicht wichtige Zielgruppe der berufstätigen Ju-gendlichen besser zu erreichen, hat das Institut Suchtprävention seit rund einem Jahr mit „ready4life“ ein interaktives, digitales Lebenskompetenz-programm im Angebot, das speziell für Lehrlinge konzipiert wurde. Denn insbesondere bei den Lehrlingen gibt es nach wie vor verhältnismäßig hohe Konsumraten, wie etwa beim Rauchen, wo im Rahmen des OÖ Dro-genmonitorings 42 Prozent der befragten berufstätigen Jugendlichen an-gaben, dass sie täglich rauchen. Zum Vergleich: Unter den Schüler/innen bzw. Studierenden beträgt die tägliche Raucherquote nur mehr 5 Prozent. •   Alkohol  •   Cannabis  •   Internet- und Smartphone-Nutzung Wie lautet das Resümee nach dem ersten Projektjahr?     r eady4life ist ein tolles Projekt, das genau am Puls der Zeit liegt. Die Verbindung von  Workshop und einem digitalen Coaching für Lehrlinge, das genau auf sie zugeschnitten ist, ist das, was sich gut in den Alltag der Lehrlinge integrieren lässt. Die hohe Zahl der Teilnehmer/innen im ersten Projektjahr gibt uns recht.     Was ist das Besondere an ready4life?     Die Besonderheit ist, dass dieses Programm tatsächlich ganz speziell für Lehrlinge ent-wickelt wurde. Das digitale Coaching gibt den Jugendlichen die Möglichkeit, sich spiele-risch mit ihrem eigenen Stresslevel, ihrer eigenen Sozialkompetenz und ihrem eigenen Substanzkonsum auseinanderzusetzen. Dabei steht die Eigenreflexion im Vordergrund. Gleichzeitig haben sie auch die Möglichkeit, Expertinnen und Experten der Suchtpräven-tion persönliche Fragen zu stellen, die mit diesen Themen zusammenhängen.      Was sind die Vorteile der Weiterentwicklung mittels App?     Das SMS-Coaching war der erste Schritt dahin, dass wir Jugendliche dort erreichen, wo sich ihr Leben abspielt – auf ihrem Smartphone. Die Chatbot-App ermöglicht es nun noch weiter in die Themen der Jugendlichen (Substanzkonsum, Stress und Sozialkompetenz) einzutauchen und sie zu motivieren sich mit sich selbst auseinander zu setzen. Wichtig ist aber auf jeden Fall, dass es beides braucht, den persönlichen Kontakt im Workshop als auch den digitalen Zugang. 3 Fragen an Mag. Tanja Schartner, MA   Projektverantwortliche am Institut Suchtprävention 9 Projektvorstellung in (Berufs-)Schulklassen/Betrieben    Download der App und Befragungsteilnahme    Einladung zum Programm    Risiken-/Ressourcenprofil mit Empfehlung zur Themenwahl    Coaching zu 2 Themen – 2 x 8 Wochen    Nachbefragung innerhalb der Coaching-App www.ready4life.at   ready4life-Hauptgewinner Markus und Martin (vorne) mit Vertre-ter/innen der Berufsschulen und des Instituts Suchtprävention  Preisverleihung mit Birgit Proksch, BA, MA, Institut Suchtprävention


Wir haben es heute in der Schule mit einer Generation von Menschen zu tun, die den Technologiewandel nicht miterlebt haben, sondern bereits in der Internet-Welt als Selbstverständlichkeit leben. Wenn man den Wandel in den letzten Jahren anhand von ein paar Zahlen, die aus dem Blick der Suchtprävention relevant sind, betrachtet, dann ergibt sich folgendes Bild: Während der Alkoholkonsum und auch das Rauchen im letzten Jahrzehnt gesunken sind 1 , hat die Mediennutzung im gleichen Zeitraum um überaus  deutliche 55 % zugenommen. 2     Abhängigkeit von Computerspielen und die intensive  Nutzung von sozialen Netzwerken   Zu den bedeutendsten Bereichen des problematischen Medienkonsums zählen die Abhängigkeit von Computerspielen und die intensive Nutzung von sozialen Netzwerken. Die Nutzung von sozialen Medien hat in der Ent-wicklung der Jugendlichen in der Adoleszenz eine wichtige Rolle inne. Die sozialen Medien – und darunter fällt deutlich mehr als die sozialen Netz-werke – werden in erster Linie zur Pflege von bestehenden Kontakten, zum Kennenlernen neuer Menschen und für die Organisation der Freizeit be-nutzt.  Eine wichtige Aufgabe in der Adoleszenz ist die Identitätsentwicklung:  „Wer bin ich und was zeichnet mich aus?“ Das ist eine zentrale Frage, die sich Jugendliche in diesem Zusammenhang stellen. Eine britische Studie 3   untersuchte näher, wie hier die sozialen Netzwerke ins Spiel kommen und kam dabei zu folgenden Ergebnissen:   •  Die Gestaltung eines Netzwerkprofils ist für Jugendliche so etwas wie    ein Modell ihrer Identität. Es ist ihre aktuelle Antwort auf die Frage „Wer    bin ich und was zeichnet mich aus?“ und diese Antwort wird sichtbar –   zumindest für alle virtuellen Freunde – zur Diskussion gestellt. Sie setzen   sich damit der Beurteilung und der Kritik der Peers aus, und diese Aus-  einandersetzung stärkt die Identitätsentwicklung.   •  Besonders originelle Beiträge haben zudem eine positive Auswirkung    auf den sozialen Status in der Gleichaltrigengruppe, wodurch die zweite   zentrale Entwicklungsaufgabe – die anerkannte Position in der Gleich-   altrigengruppe – adressiert wird.   Gleichzeitig benutzen Jugendliche die sozialen Netzwerke in einer vulne-rablen Phase. In der frühen Adoleszenz ist der emotionale Zustand durch mehr Instabilität, intensivere Wahrnehmung der Gefühle und des verstärk-ten Auftretens von unangenehmen Gefühlen gekennzeichnet.Die Selbst-regulierungsfähigkeit ist noch nicht sehr stark ausgeprägt. Dies führt im Zusammenhang mit den zum Alter und zu den Entwicklungsaufgaben ab-gestimmten Möglichkeiten, zu einem sehr intensiven Gebrauch. Der ohne- hin oft niedrige Selbstwert in diesem Alter kann durch die Peer-Vergleiche weiter reduziert werden. Häufig wird auch das Körperselbstbild beein-trächtigt. Für eine kleine Gruppe von Jugendlichen können daraus Anpas-sungsstörungen und Suchtverhalten resultieren.  Abhängigkeit von Computerspielen:  Obwohl die Computerspielabhängigkeit seit Juni 2018 von der WHO in den ICD11 aufgenommen wurde, gibt es unter den Wissenschaftlern nach wie vor eine Diskussion darüber, ob man tatsächlich von einer Abhängig-keit von Computerspielen sprechen kann. Sie führen ins Treffen, dass aus ihrer Sicht keine Abhängigkeit von diesen Spielen besteht, sondern dass diese Spiele gespielt werden, um der realen Welt zu entfliehen. 4    So wird etwa der Zusammenhang zwischen Einsamkeitsgefühlen und der Nutzung von sozialen Netzwerken und Multiplayerspielen beschrieben. Was ist damit gemeint? Menschen, die soziale Kontakte vermissen oder Schwierigkeiten haben diese face to face herzustellen, können diese er-satzweise in sozialen Netzwerken oder Multiplayer Online Spielen finden. Besonders wird dies für Menschen mit sozialer Ängstlichkeit zutreffen. In diesem Fall fühlt es sich oft wesentlich sicherer an, Einsamkeitsgefühlen über virtuelle Kontakte entgegenzuwirken, da man hier den Kontakt sofort abbrechen und anonym bleiben kann.    Betrachtet man das intensive Computerspielen und die intensive Nutzung von sozialen Netzwerken von dieser Warte aus, dann stellt sich die Frage, welche Zusammenhänge zwischen der intensiven Nutzung von Computer-spielen und der Nicht-Bewältigung des realen Lebens bestehen. Dazu wur-den bislang Zusammenhänge auf den Ebenen Selbstwert, Einsamkeit sowie Stress gefunden.    Wichtige Einflussfaktoren von problematischem  Mediennutzungsverhalten in der Pubertät      Ô    EINFLUSSFAKTOR SELBSTWERT    Viele Untersuchungen haben einen Zusammenhang zwischen einem nied-rigen Selbstwert und einem intensiven Konsum von Computerspielen ge-funden. Der Selbstwert steht dabei in Beziehung zum Selbstkonzept. Das Selbstkonzept ist die Antwort auf die Frage „Wer bin ich eigentlich und was zeichnet meine Person aus?“ Dieses Wissen über uns selbst, das wir im Laufe unseres Lebens sammeln, beinhaltet Wissen über unsere Per-sönlichkeitseigenschaften, unsere Fähigkeiten, Vorlieben, Interessen und Gewohnheiten.  Der Selbstwert wiederum wird als der bewertende Teil der Identität gese-hen. Er ist das Ergebnis unseres Selbstkonzeptes – jener oben erwähnten Eigenschaften. Wir haben dabei eine Vorstellung, wie wir gerne sein möchten ( „das ideale Selbst“) und eine Einschätzung wo wir tatsächlich ste- hen. Diese Einschätzung kommt aufgrund unseres Vergleichs mit anderen und Rückmeldungen, die wir erhalten (und nochmals subjektiv interpre-tieren) zustande. Je näher wir uns dem idealen Selbst fühlen, desto posi-tiver bzw. höher ist unser Selbstwert.Dabei hat der Selbstwert mehrere Facetten, wie etwa die Einschätzung der schulischen Leistungen, das ei-gene Körperselbstbild oder die Wahrnehmung der sozialen Beziehungen.  Wie entwickelt sich nun dieser Selbstwert über die Lebensspanne? Der Selbstwert im Kindesalter ist noch stark von der direkten Bewertung durch die Eltern geprägt, die zu dieser Zeit noch überwiegend positiv aus-fällt (z.B. durch Anerkennung oder Zuspruch). Dabei wird die positive Selbstwert-Entwicklung insbesondere durch ein warmes, unterstützendes und liebevolles Beziehungs- und Erziehungsklima begünstigt. Im Laufe der Schulzeit kommen jedoch weitere Bewertungen, z.B. durch die gleich-altrigen Schulkollegen/innen und Lehrkräfte hinzu und das Feedback zur eigenen Person beinhaltet mit steigendem Alter nun auch zunehmend ne-gative Aspekte, z.B. bezüglich der eigenen Leistung oder bestimmter Ei-genschaften und Fähigkeiten.  Zusammenhänge zwischen Selbstwert und Computerspielen: Nachstehende Abbildung zeigt die Entwicklung des Selbstwerts im Alters-verlauf und lässt die Notwendigkeit erkennen, Jugendliche bei der Aus-bildung eines stabilen und positiven Selbstwerts bzw. in ihrer Selbst- akzeptanz zu unterstützen.                     Obwohl sich das Internet, Spielkonsolen, Smartphones und die Bedeutung der digitalen  Medien in den vergangenen Jahren rasant verändert haben, kann dies – leider oder glück-licherweise – für die Menschen, die diese Medien nutzen, kaum in diesem Ausmaß beobachtet werden. Es gibt kaum Veränderungen betreffend unserer Informationsverarbeitungskapazität oder unserer Fähigkeit zum Multitasking. Auch die Entwicklungsaufgaben der Jugendlichen  haben sich kaum verändert, nur dass dies heute vor dem Hintergrund einer komplett veränder-ten Medienlandschaft stattfindet. Aus suchtpräventiver Sicht ist es vor allem sinnvoll bei den psychischen Ursachen und Auswirkungen des problematischen Medienkonsums anzusetzen.   10 Quelle: Robins, Richard W.; Trzesniewski, Kali H. (2016): Self-Esteem Development Across the Lifespan.  In: Curr Dir Psychol Sci 14 (3), S. 158–162. Problematischer Medienkonsum in der Pubertät Einflussfaktoren und Möglichkeiten der Prävention durch Lebenskompetenzförderung 4.10  4.00  3.90  3.80  3.70  3.60  3.50  3.40  3.30  3.20  3.10  3.00  2.90  2.80 ALTER SELBS TWER T 9-12  13-17  18-22  23-29  30-39  40-49  50-59  60-69  70-79  80-90  weiblich  männlich


Aber welche Zusammenhänge wurden nun zwischen dem Selbstwert und dem Spielen von Computerspielen gefunden? Die Untersuchung von Ryan et al. (2006) 5  kam zu dem Ergebnis, das besonders Computerspiele mit  zwei Eigenschaften eine sehr  hohe Spielerbindung – und somit längere  Spielzeiten erzeugen:    1. Sie bringen den Spieler seinem idealen Selbst nahe.  2. Sie erzeugen ein starkes Immersionserlebnis.   Was das ideale Selbst betrifft, kann ich im Spiel in besonders jenen Berei-chen die mir wichtig sind, genau so sein, wie ich mir mein ideales Selbst vorstelle; z.B. in der körperlichen Darstellung bzw. Ausstattung der Spiel-figur oder als Teil einer Gruppe, die gemeinsam spannende Abenteuer er-lebt – die in der realen Welt so nicht erlebt werden.  Der zweite bedeutende Faktor in Zusammenhang mit Computerspielen und Selbstwert betrifft das so genannte  Immersionserleben. Darunter ver- steht man, dass die Spielewelt und die Spielmechanik so gut gemacht sind, dass man förmlich in das Spiel eintaucht und die reale Welt darüber ausblendet und vergisst. Das Immersionserleben ist besonders bei der neuen VR Technologie stark ausgeprägt. Diese Technologie ist mittlerweile so preiswert geworden, dass sie in den Privathaushalten verfügbar gewor- den ist.  Eine Untersuchung von Kardefelt-Winther (2014) kam zu dem Ergebnis, dass die Nutzungsmotive von Computerspielen einen entschiedenen Ein-fluss auf das Ausmaß der negativen Konsequenzen haben, die sich durch die Nutzung ergeben. So ist besonders das Motiv der  „Flucht aus der realen  Welt“ ein Risikofaktor für den exzessiven Konsum.     Ô   EINFLUSSFAKTOR EINSAMKEIT UND AUSGRENZUNG   Für Jugendliche ist neben der Selbstwert-Thematik auch das Gefühl von Einsamkeit und Ausgrenzung ein besonders starkes Motiv aus der realen Welt aussteigen zu wollen. Die Begriffe „Einsamkeit“ bzw. „Schüchtern-heit“ können einer weiteren zentralen Entwicklungsaufgabe zugordnet werden: der anerkannten Position in der gleichaltrigen Gruppe. Wobei das Gelingen oder Nicht-Gelingen dieser Entwicklungsaufgabe eine Auswir-kung auf den Selbstwert hat. Soziale Beziehungen spielen vor allem bei Online-Multiplayer-Spielen eine größere Rolle und dies unabhängig davon, ob es sich um einen Shooter oder ein Rollenspiel handelt. Man bildet Gruppen und kommt z.B. im „Teamspeak“ (Kommunikationsmittel zwischen Spieler/innen) zum sozia-len Austausch mit Gleichgesinnten. Es konnten in unterschiedlichen Stu-dien auch Zusammenhänge zwischen Einsamkeit und Internet- bzw. Smartphone-Abhängigkeit aufgezeigt werden.     Ô   EINFLUSSFAKTOR „FOMO”   „FoMO“ ist die Abkürzung für „Fear of Missing Out (FoMO)“ – der  Angst  etwas zu verpassen. Auch auf dieser Ebene konnte ein Zusammenhang mit dem Auftreten einer problematischen Smartphone-Nutzung gefunden werden. Die Angst etwas zu verpassen erwies sich als besonders guter Diskriminator zwischen problematischer versus nicht problematischer Me-diennutzung. Dazu zählt beispielsweise das Aufschieben geplanter Arbeit oder die mangelnde Konzentrationsfähigkeit aufgrund der Smartphone-Nutzung.     Ô    EINFLUSSFAKTOR STRESS   Der zuvor erwähnte Zusammenhang zwischen dem  „Fluchtmotiv“ und da-  mit verbundenen  negativen Konsequenzen bei der Computerspielnutzung  (zu wenig Schlaf, unregelmäßiges Essen, Konflikte mit Partnern, Eltern, Ver- lust von Freunden, Beziehungen, schlechte Schulleistungen…) wird durch die Mediatoren Stress und niedriger Selbstwert begünstigt. Das Flucht- motiv trat in den Studien dabei besonders bei jenen Menschen auf, die einen höheren Stress-Level und einen niedrigeren Selbstwert aufwiesen. Was die intensive Nutzung von sozialen Netzwerken betrifft, konnten be-sonders Zusammenhänge mit sozialem Stress gefunden werden. So wur-den besonders sozialer Stress und mangelnde Selbstkontrolle als Vorhersagevariablen für süchtige Smartphone-Nutzung gefunden. Sozia-ler Stress steht dabei im starken Zusammenhang mit Selbstwert, da es hier vor allem um Ängste geht, dass man von anderen Menschen negativ bewertet wird.    Möglichkeiten der Prävention   Die Stärkung der allgemeinen Lebenskompetenzen ist DIE Basis für die Prävention von problematischen Verhaltensweisen im Zusammenhang mit Neuen Medien. Programme zur allgemeinen Lebenskompetenzför-derung von Kindern und Jugendlichen gehören nach aktuellem Wissens-stand der Forschung zu den wirksamsten Präventionsmaßnahmen, die einen positiven Einfluss auf die hier genannten Faktoren haben. Auf Grund der guten Erreichbarkeit werden diese Programme vorwiegend in Schulen durchgeführt.  Das Institut Suchtprävention bietet mehrere umfassende Programme an, wie Kinder und Jugendliche in diesen Bereichen gefördert werden kön-nen. Neben dem Volksschulprogramm  „Eigenständig werden“ gibt es für  die 5.–8. Schulstufe das Präventionsprogramm  „plus“ und auch der Un- terrichtsbehelf  „Suchtprävention in der Schule“ beinhaltet ebenfalls theoreti- sche und praktische Grundlagen zur Förderung von Lebenskompetenzen in der Schule. Dazu gibt es den Fachbereich  „Prävention Problematischer  Medienkonsum“, der u.a. Vorträge und Fortbildungen für Lehrkräfte und Eltern, aber auch Übungssammlungen für den Unterricht in der 5. bis 8. Schulstufe enthält.   plus – ein Präventionsprogramm mit Mehrwert:   Für die Schulstufen 5 bis 8 bietet das Präventionsprogramm  plus (siehe  Seite 6) pro Jahrgang fünf Themen, zu denen jeweils zwei detailliert aus-gearbeitete Teile (Unterrichtseinheiten mit Arbeitsblättern, Folienvorlagen, etc.) vorliegen. Jeder Teil besteht aus einer Basiseinheit und Ergänzungs-modulen.   Je nach Klassensituation oder Zeitbudget können diese Ergänzungsmo- dule weggelassen oder in den Unterricht integriert werden. Die Unter-richtseinheiten sind methodisch so angelegt, dass die SchülerInnen mög-lichst aktiv in die Erarbeitung der Themen eingebunden sind. Am Ende jeder Unterrichtseinheit wird das Gelernte zusammengefasst und auf dem „plus-Plakat“ der Klasse festgehalten. Darüber hinaus können alle Schü-lerInnen ein „plus-Heft“ führen, in dem individuelle Beiträge zu den The-men festgehalten werden. Vorschläge für die Gestaltung von Plakat und Heft sind bei jeder Unterrichtseinheit angeführt.  Die Wirksamkeit von persönlichkeitsstärkenden und suchtvorbeugenden Maßnahmen ist umso größer, je besser die Zusammenarbeit zwischen Schule und Elternhaus funktioniert. Deshalb gibt es in jedem Jahr einen Elternbrief (in 10 Sprachen), der über das Programm und die Umsetzung in der Schule informiert. Darüber hinaus gibt es pro Schuljahr eine Aktivi-tät, mit der die SchülerInnen zu Hause an das Programm anknüpfen kön-nen. Ergänzt wird die Einbindung durch die Eltern durch Elternvorträge die vom Institut kostenfrei zu den Themen Medien, Nikotin, Alkohol an-geboten werden. Für die Präsentation des plus-Programms beim Eltern-abend/Klassenforum werden Folien zur Verfügung gestellt, die die Ziele und Inhalte von plus zusammenfassen.  Konkrete Übungen zur Stressbewältigung, einem wichtigen Faktor zur Prä-vention problematischen Medienkonsums, finden sich beispielsweise in Jahrgang 2 (Schulstufe 6). Hier können die SchülerInnen zunächst durch einen Fragenbogen ihren Stresspegel feststellen und mögliche dahinter-liegende Stressursachen (Arbeitshaltung / Lernmethoden, Prüfungsangst, Schulunlust, Konzentrationsprobleme oder Leistungsdruck) ergründen. In einem Ideenzirkel tauschen sich die SchülerInnen mit Unterstützung der Lehrkraft über Strategien zur Stressvermeidung in den einzelnen Berei-chen aus. Das Manual enthält darüber hinaus eine Sammlung von kurzen Entspannungsübungen, die von den Lehrkräften oder SchülerInnen als „Entspannungstrainer/innen“ angeleitet werden. Zur Vertiefung des The-mas stehen noch weitere Ergänzungsmodule zur Verfügung.  Peter Eberle   11 1  WHO, Health Behaviour in School-aged Children Study (HBSC) 2018  2  Medienpädagogischer Forschungsverbund Südwest, JIM Studie 2018  3  Melina A. Throuvala, et.al. Motivational processes and dysfunctional mechanisms of social media use      among adolescents: A qualitative focus group study, Computers in Human Behavior (2018)  4  Wood R (2008) Problems with the concept of video game “addiction”: Some case study examples.      International Journal of Mental Health and Addiction6: 169–178.  5  Ryan, R. M., Rigby, C. S., & Przybylski, A. (2006). The motivational pull of video games:      A self-determination theory approach. /Motivation and Emotion, 30/(4), 347–363. © Tatyana Gladskih/Adobe Stock


12 Die Adoleszenz beginnt bei Mädchen in der Regel im Alter von etwa 10,5 Jahren, bei Jungen zwei Jahre später, also mit etwa 12,5 Jahren, und dauert durchschnittlich sechs Jahre. Im Zentrum dieser Umbruchs-phase steht die Bewältigung einer Reihe von Entwicklungsaufgaben, wie der Aufbau einer Geschlechtsidentität und die Übernahme einer Geschlechtsrolle, die Ablösung vom Elternhaus, der Aufbau von Freund-schafts- und Intimbeziehungen, die Entwicklung von Zukunftsperspek-tiven bezüglich Schulbildung und Beruf oder auch die Entwicklung eigener Wertvorstellungen. In dieser Phase erfolgt nicht nur eine starke Veränderung des eigenen Körpers, sondern auch eine Neubewertung und Umstrukturierung des persönlichen Umfelds und der eigenen Per-sönlichkeitsstruktur. Dazu zählen neben den genannten Entwicklungs-aufgaben auch die Entwicklung des Körperbilds, die Akzeptanz des eigenen Körpers, das Identitäts- und Selbstwertgefühl, aber auch das Gefühl von Kompetenz und Autonomie sowie der Wunsch nach sozialer Akzeptanz.  Die Verunsicherung in Bezug auf den eigenen Körper wird u.a. auch durch Zahlen aus der jüngsten HBSC-Studie belegt, der größten Schü-ler/innen-Befragung für ganz Europa. Demnach sind in Österreich nur etwa 50% der Schülerinnen und Schüler der Meinung, dass sie unge-fähr das richtige Gewicht haben, während gemäß ihren BMI-Werten 71% von ihnen Normalgewicht haben. Das Gefühl, zu dick zu sein, nimmt vor allem bei Mädchen bis zur 9. Schulstufe kontinuierlich zu, und erreicht dabei einen Wert von über 40% (HBSC 2018, S26).   Die Ursache, warum so viele junge Menschen mit ihrem Körper unzufrieden sind, liegt dabei laut Expertinnen und Experten jedoch nur zu einem Teil in der natürlichen Entwicklung, denn auch folgende Aspekte sind relevant:  Bei Mädchen kommt es im Zuge der hormonellen Veränderungen in der Pubertät zu einer Zunahme von Fettgewebe (runde Hüften, Brüste), während bei Jungen eher die Muskelmasse zunimmt (Oberarmmus-keln, breite Schultern). Die Zunahme von Muskelmasse bei Jungen steht im Einklang mit dem herrschenden Schönheitsideal von Männern. Bei den Mädchen steht die Zunahme von Fettgewebe dem weiblichen Schönheits- und Schlankheitsideal allerdings entgegen. Somit ergibt sich unter den herrschenden Schönheitsnormen allein aus der norma-len körperlichen Entwicklung ein Risikofaktor für Körperunzufriedenheit bei Mädchen. Allerdings geraten auch Jungen zunehmend unter Druck, wenn sie nicht dem männlichen Schönheitsideal entsprechen.  Gleichaltrige und Medien üben besonders in der Adoleszenz einen gro-ßen Anpassungsdruck aus und beeinflussen auf diese Weise das eigene Erleben. Der eigene Körper steht durch Vergleiche mit anderen auf dem Prüfstand. Besonders bei Mädchen ist die Körperzufriedenheit stark von den Ergebnissen dieser Vergleiche abhängig (z.B.: Sind meine Brüste zu groß oder zu klein, meine Oberschenkel zu dick oder zu dünn?).  Für Mädchen und Jungen, deren körperliche Reifungsprozesse vergli-chen mit der Norm sehr früh oder sehr spät einsetzen, sogenannten Früh- bzw. Spätentwicklern, stellt die Akzeptanz des eigenen (veränder-ten) Körpers eine besondere Herausforderung dar. Sie können ihre Er-fahrungen nicht mit anderen aus der Gleichaltrigengruppe teilen und abgleichen. Ihnen fehlt die Bestätigung, dass alles stimmt. Besonders schwierig ist diese Situation dabei für frühentwickelte Mädchen und spätentwickelte Jungen.  In der Adoleszenz nimmt die Abhängigkeit des Selbstwertgefühls von der äußeren Erscheinung deutlich zu. Selbstwertprobleme, Ängste und Konflikte werden häufig auf den Körper projiziert: Wäre der Körper nur anders, dann wäre alles besser. Besonders weibliche Jugendliche rea-gieren auf psychosozialen Stress mit Auffälligkeiten im Essverhalten. Sich entwickelnde sexuelle Regungen und Sehnsüchte färben das Er-leben ein und führen zu entsprechenden Annäherungen und Erprobun-gen. Verlaufen diese ersten Versuche negativ bzw. kommt es zu Zurück- weisungen, kann sich das auf das Selbstwertgefühl und die Bejahung des eigenen Körpers verheerend auswirken.      Dr. Dagmar Pauli, eine in Zürich tätige Expertin für Essstörungen, kriti-siert in ihren Publikationen und Interviews den unkritischen Umgang mit Social Media-Plattformen wie Instagram & Co.: „Die Macht der Bil-der ist stärker als das, was wir mit Worten vermitteln können. Und die Macht der Bilder ist allgegenwärtig. Unsere gesamte Gesellschaft hat verlernt, normale Körperformen schön zu finden, weil wir seit Jahrzehn-ten diese unrealistischen Bilder sehen.“ 2  Als Gegenentwurf dazu müsste  die Gesellschaft in der wir leben präventiv wirken, „also etwa in der Schule Programme starten, in denen man lernt, medienkritisch zu rezi-pieren und sich etwa mit diesem Wettbewerb, mit Schönheitsidealen oder dem Fake durch Photoshop kritisch auseinanderzusetzen, dann hilft das.“, so Pauli.    Schutzfaktoren in Familie und Schule   Schulische Prävention findet immer in Form von strukturellen und per-sonenbezogenen Maßnahmen statt. Das heißt, es soll die Lebenswelt Schule insgesamt gesundheitsförderlich gestaltet werden und in spe-zifischen Unterrichtseinheiten gesundheitsbezogenes Wissen und Kom-petenzen aufgebaut werden. Schutzfaktoren zu fördern heißt jedoch nicht immer und ausschließlich, suchtpräventive Unterrichtseinheiten durchzuführen. Es gibt im schulischen Alltag viele Möglichkeiten, prä-ventiv zu wirken. Dazu zählt beispielsweise Freiräume zu schaffen, in denen nicht bewertet wird, Bemühungen und nicht nur Resultate zu loben, Vergleiche zu vermeiden oder die Solidarität unter Schüler/innen zu fördern. Die Bedeutung der Schule für die Prävention von Essstörun-gen liegt auch in der wichtigen Rolle der Gleichaltrigengruppe für die Bewältigung der Entwicklungsaufgaben. Die Gleichaltrigengruppe gibt einerseits Orientierung, kann aber gleichzeitig einen hohen Konfor-mitätsdruck erzeugen.   Bei Schüler/innen, deren Verhalten bereits auf eine Essstörung hindeu-tet, gilt es für die Lehrkräfte angemessen umzugehen, wobei folgender Grundsatz gilt: Eine Essstörung lässt sich in der Schule weder verhin-dern noch heilen. Eine Therapie/Beratung kann nur außerhalb der Schule stattfinden. Keinesfalls aber sollte das Problem ignoriert wer-den. Welche Auffälligkeiten in der Schule beobachtet werden können und wie man pädagogisch darauf reagieren kann, ist in unserer Publi-kation  „x.act Essstörungen“ detailliert beschreiben. Diese Broschüre ist  per Download und in einer gedruckten Version verfügbar.  Prävention von Essstörungen in der Familie Essstörungen zeichnen sich u.a. dadurch aus, dass Probleme, die auf anderer Ebene bestehen, auf den Körper verlagert werden: „Wäre der Körper nur anders, dann wäre alles besser.“ Für die Vorbeugung in der Familie ist es deshalb wichtig, einen positiven Umgang mit Gefühlen, Misserfolgen, Sorgen und Problemen vorzuleben.   Das können Sie für Ihr Kind tun. 3   •  Sorgen Sie für ein entspanntes Verhältnis zum Essen in Ihrer Familie. •  Sorgen Sie für gesunde und regelmäßige Ernährung. •  Leben Sie Genuss vor, kochen Sie miteinander. •  Leben Sie Freude am Essen, am Bewegen und am eigenen Körper vor. •  Vermitteln Sie Ihrem Kind, dass sein Körper etwas Schönes,     Gutes und Wertvolles ist.  •  Bewerten Sie den Körper Ihres Kindes nicht („Du bist zu dick“). •  Besonders für Väter: Vermeiden Sie unbedingt kritische Bemerkungen    zu Aussehen und Figur Ihrer Tochter!  •  Sprechen Sie nicht abschätzig über die Figur anderer Menschen. •  Hinterfragen Sie gemeinsam mit Ihrem Kind Schönheitsideale, die die    Medienwelt vermittelt.   Weitere Tipps und Infos erhalten Sie in unserem Handbuch „Wie schütze ich mein Kind vor Sucht?“ sowie unter: www.praevention.at/essstoerungen   Kontaktperson: Mag. Violetta Palka, Abteilung Schule-Familie-Kinder violetta.palka@praevention.at | 0732 778936 - 38   Etwa 200.000 Österreicherinnen erkranken zumindest einmal im Laufe ihres Lebens an einer Essstörung. Im Jahr 2018 wurden in Oberösterreich in den öffentlichen Kranken-anstalten über 700 Diagnosen zu Essstörungen gestellt. 1  Für die Entstehung einer Ess- störung ist die Pubertät bzw. die Adoleszenz eine überaus kritische Phase.  Y Y Y Y 1  Die genannten Zahlen stammen aus dem aktuellen „Fact-Sheet Sucht“      (Institut Suchtprävention, Version 2.9, September 2019).  2  Interview mit „Edition F“:  editionf.com/dagmar-pauli-essstoerungen-verstehen-gesellschaft-size-zero   3  Tipps entnommen aus Institut Suchtprävention, pro mente OÖ,      Wie schütze ich mein Kind vor Sucht?, 5. Auflage, Linz 2017 bernjuer /photocase.de Adoleszenz – Eine Risikophase  für die Entstehung von Essstörungen


13 ENTWICKLUNGSPSYCHOLOGIE DES JUGENDALTERS Arnold Lohaus (Hrsg.), Berlin, 2018   Dieses Lehrbuch befasst sich mit der Entwicklungspsychologie des Jugendalters. Es vermittelt in verständlich geschriebenen Kapiteln Grund- und Anwendungswissen zu allen relevanten Entwicklungsbereichen und geht speziell auf für diese Lebensphase zentrale Themen ein, wie z.B. Medienkonsum, Sozialbeziehungen, Problemverhalten oder Berufswahl. Neben den wissenschaftlichen Grundlagen werden jeweils Bezüge zu konkreten Anwendungskontexten hergestellt. Inhaltlich besteht die Publikation aus mehreren Beiträgen einschlägiger Expertinnen und Experten, wie beispielsweise unserer Interviewpartnerin Prof. Dr. Karina Weichold (siehe S.2).   Zentrale Inhalte des Buches sind die Entwicklung in wichtigen Funktionsbereichen (körperliche Veränderungen, Kognition, Emotion, Selbstkonzept und Selbstwert, Sozialbeziehungen zur Herkunftsfamilie und zu Gleichaltrigen), Themen des Jugendalters (Problemverhalten, Medienkonsum, Berufswahl), psychische und physische Störungen und Unterstützungsmöglichkeiten.      PUBERTÄT   Karl Heinz Brisch, Stuttgart, 2019   Band 5 aus der Reihe „Bindungspsychotherapie – Bindungsbasierte Beratung und Therapie“ beschäftigt sich mit der Pubertät. Das zentrale Thema der Pubertät lautet, wie Jugendliche und ihre Bindungspersonen eine Balance zwischen Bindungssuche, Loslösung und Autonomie finden. Der bekannte Kinder- und Jugendpsychiater und Bindungsexperte Karl Heinz Brisch beschreibt darin – auf der Grundlage der Bindungstheorie und mit ausführlichen Therapiebeispielen – die Möglichkeiten rechtzeitiger Hilfe und Interventionen für Pubertierende und ihre Bezugspersonen. Dabei werden unterschiedliche Aspekte behandelt, so zum Beispiel Lern- und Leistungsprobleme, Schwierigkeiten bei der Entwicklung der se-xuellen Orientierung, Konflikte zwischen individueller Entwicklung und Zugehörigkeit zu Peer-Gruppen, Süchte (Alkohol, Drogen, Medien), Ag-gressionsstörungen, Delinquenz, Störungen der Stressregulation, Selbstverletzungen (Ritzen), Körper-Schema-Störungen oder Essstörungen.  SIZE ZERO – ESSSTÖRUNGEN VERSTEHEN, ERKENNEN UND BEHANDELN Dagmar Pauli, München, 2018   Schnell kann eine Diät in eine Essstörung – Magersucht oder Bulimie – kippen. Insbesondere junge Frauen sind davon betroffen. Mit den sozialen Medien hat sich die Zahl der Erkrankten noch einmal dramatisch erhöht. SIZE ZERO – die weibliche Körpergröße Null (32 bzw. XXS) – wurde zum Synonym für übertriebenen Schlankheitswahn und Selbstdarstellungen auf Online-Plattformen mit Vorher-Nachher-Selfies. Die Kinder- und Ju-gendpsychiaterin Dagmar Pauli, renommierte Expertin für Essstörungen bei Jugendlichen, geht diesen Zusammenhängen auf den Grund, be-nennt Ursachen und Verantwortliche und zeigt Auswege aus der Essstörungsfalle auf. SIZE ZERO wendet sich an Betroffene und Gefährdete: Junge Menschen, die Selbstzweifel haben und sich nach Bestätigung sehnen, deren Gehirne von klein auf mit Bildern zugekleistert wurden von superdünnen Stars und Models. Jugendliche, die in einer Welt von «guten und schlechten Fettsäuren» aufgewachsen sind und deren Eltern sich bereits mit Diäten aller Art beschäftigt haben. SIZE ZERO richtet sich aber genauso an diese Eltern selbst. Die – auch ohne die Ursache der Ess-störung zu sein – viel zur Gesundung ihres Kindes beitragen können. Und SIZE ZERO wendet sich an die Gesellschaft und die Politik: Was tun wir, damit unsere Kinder nicht mehr dem Schlankheitswahn erliegen?      CORONA-KRISE VERSTEHEN. EIN BILDERBUCH FÜR KINDERGARTENKINDER   Ursula Leitl, Hamburg, 2020   Die zwei Häschen Nico und Lassi sind beste Freunde und treffen sich jeden Tag im Hasenkindergarten. Bis eines Tages eine Krankheit im Hasen-land ausbricht und plötzlich alles anders ist… Kinder im Kindergartenkinder bekommen viel mehr mit, als man denkt und meist sind es eher einfühlsame Geschichten als rationale Erklärungen, die den Kindern Ängste und Sorgen nehmen können. Das Bilderbuch „Corona-Krise verstehen. Eine Geschichte für Kindergartenkinder“ der ehemaligen Erzieherin Ursula Leitl erzählt kindgerecht, was es mit dem „Corona-Virus“ auf sich hat und warum vieles derzeit anders ist. Sie endet aber auch mit dem hoffungsvollen Ausblick, dass die Zeit der Quarantäne wieder vorüber gehen wird und wir unsere Freunde und Verwandten wieder treffen werden. Dieses Buch steht derzeit auch als Download auf unserer Website zur Ver-fügung: www.praevention.at/corona-infos  Buch  tipps TIPP:   Alle erwähnten Bücher können in der Fachbibliothek am Institut Suchtprävention kostenlos entlehnt werden.      Aktuelle Öffnungszeiten:  Mo–Fr: 8:30–12:00 Uhr         Online-Kata log:  praevention.at   UND IHR SO? SUCHTPRÄVENTION  IN ZEITEN VON CORONA     Anstelle des gewohnten Portraits von Mitarbeiter/innen haben wir uns a ufgrund der Corona-Krise ent- schlossen, bei einigen der zahlreichen Multiplikatorinnen und Multiplikatoren, mit denen wir zusammen-arbeiten, nachzufragen, wie sie in der Corona-Krise ihren Tätigkeiten nachkommen. Wir haben dabei in den vergangenen Wochen – trotz der herausfordernden Zeiten – einen sehr hoffnungsfrohen Einblick in die Praxis unterschiedlicher Settings und Arbeitsbereiche erhalten. So hat zum Beispiel die NMS 1 in Perg mit der Face-book-Aktion „Wir sitzen im selben Boot“ eine bemerkenswerte Fotostory für die ganze Schulgemeinschaft gestartet. Eine andere Form des Kontakthaltens hat die VS 46 in Linz gewählt, deren Lehrkräfte sich mit dem liebevollen Videogruß „Ihr fehlt uns!“ an Schüler/innen gewandt haben. Unter dem Motto „Wir sind für euch da!“ sprach Kerstin Hofstätter, Streetworkerin in Ried i. I. ihren Jugendlichen Mut zu und hielt dabei den per-sönlichen Kontakt via Telefon oder digitale Medien aufrecht. Auch Romana Wöß und ihr Team vom integra-tiven heilpädagogischen Hort der Caritas in der Kapuzinerstraße in Linz haben sich die technischen Möglichkeiten zunutze gemacht und eine Messenger Gruppe eingerichtet, um sich mit den Kindern aus-zutauschen. Das Team der Berufsschule Linz 7 rund um Direktor Thomas Mitterlehner bemühte sich ebenso via Social Media Kanälen um Klarheit und Transparenz in der Kommunikation und hatte auch ein offenes Ohr für so manche Sorgen. Wir haben aber auch einen Blick in die Gemeinden geworfen, wo beispielsweise in Pasching regelmäßig eine ganze Nachbarschaft vors Haus ging um – im nötigen Sicherheitsabstand –  gemeinsam zu bekannten Songs zu tanzen. Viele Mitarbeiter/innen in Firmen und Organisationen haben ihre Mittagspause trotz räumlicher Distanz hin und wieder gemeinsam verbracht, auf digitaler Ebene ver-steht sich, so wie etwa die Kolleginnen der Firma smec aus Linz, die uns ein Video geschickt haben. Durchaus analog war die Aktion der VS Ottensheim, die kurzerhand eine Sichtbetonwand vor der Schule zur großen „Pinwand“ umfunktionierte, damit SchülerInnen, aber auch Eltern und LehrerInnen sich dort gegenseitig hoffnungsvolle Botschaften und Grüße hinterlassen konnten. Besonders hart von den Corona-Maßnahmen betroffen waren auch die vielen Fußballvereine in Oberösterreich. Auch hier gewährten uns zwei Vereine einen kleinen Einblick, wie man die herausfordernde Situation bewältigt. Last but not least ist im Rahmen unserer Serie „Und ihr so?“ auch ein Videointerview mit Michael Silly, dem Leiter der pro mente Beratungs-stelle für Suchtfragen, point in Linz zustande gekommen. Die detaillierten Storys zur Serie „Und ihr so?“ sind auf unserer Homepage zu finden: praevention.at/corona NEUE LEITUNG FÜR DIE ABTEILUNG  „SCHULE-FAMILIE-KINDER“     Mag. Peter Eberle, MA hat per November 2019 die Leitungsaufgaben von Mag. Ingrid Rabeder-Fink übernommen, die – wie in unserer letzten Ausgabe berichtet – ihre Pension angetreten hat.  Wir wünschen Dir Peter für deinen neuen Aufgabenbereich Alles Gute!  


20 Jahre Netzwerk-Arbeit in Steyr    Im Rahmen der diesjährigen Jahrestagung des Steyrer Netzwerks „Flow Akut" gab es anlässlich des 20. Jubiläums auch ein Treffen der  drei Netz- werk-Gründungsmitglieder Herbert Baumgartner (Institut Suchtprävention), Wolfgang Klima (Beratungsstelle xdream) und Peter Eitzenberger (Polizei Steyr). Seit 1999 gibt es eine regelmäßige Vernetzungsstruktur zwischen Prävention, Suchtberatung und Polizei. 20 Jahre später gibt es dieses Netzwerk unter dem Namen „Flow Akut“ noch immer als regelmäßige Ar-beitsgruppe von derzeit 15 Einrichtungen. „Das ist schon etwas Besonde-res und Herausragendes, weil das Projekt einen Kommunalbezug hat, es partizipativ ist und über viele Jahre beständig am Thema Suchtprävention gearbeitet wurde. Es entstanden dabei wirklich große Errungen-schaften, von der Infektionsprä-vention samt Spritzenautomat über die aktive Beteiligung und Mitarbeit bei städtischen Projek-ten wie der Errichtung einer nied-rigschwelligen Suchteinrichtung oder den Beschluss, ein Jugend-zentrum ins Leben zu rufen.", resü- miert Herbert Baumgartner.  Diplomverleihung für Sucht-präventions-Peers    Die  Suchtpräventions-Peers des Gym-  nasiums Schlierbach erhielten am 14. Feb. 2020 zum Abschluss ihrer Tätigkeit von Direktor Mag. Jürgen Rathmayr ihre wohlverdienten Di-plome überreicht. Iris Holzer, Ines Pühringer und Alexandra Otte, alle Schülerinnen der 8a Klasse waren mit großem Eifer dabei und  das freiwillige Engagement macht sich gut in ihrem Portfolio: Die außer-schulische Fortbildung am Institut Suchtprävention, das Arbeiten in Work-shops mit jüngeren Schülerinnen und Schülern und das selbständige Organisieren vom Verkauf von alkoholfreien Mixgetränken an Bars bei di-versen Schulevents bewirkte Lernen weit über den normalen Schulalltag hinaus. Um das Projekt themenbezogen abzurunden, beschlossen die jun-gen Damen in Eigeninitiative Gutes zu tun, worüber Alexandra Otte Fol-gendes schildert:   „Die Ausbildung zum Suchtpräventions-Peer stellte für mich eine große Bereicherung dar, einerseits natürlich durch das interaktive Seminar, bei dem ich mein eigenes Wissen erweitern konnte, aber vor allem auch durch das Wirken an der Schule und die Zusammenarbeit mit den anderen Schü-lern. Anfangs unterschätzt man vielleicht die Wirkung, die ein solches Pro-jekt haben kann, aber mir hat es gezeigt, wie schön es ist, sich für andere zu engagieren und wie man daran auch persönlich wächst. So konnten wir mit dem Verkauf von alkoholfreien Cocktails bei Schulveranstaltungen wie dem Tag der offenen Tür oder dem Schulfest 700 Euro Spenden sam-meln. Sucht kann bei jedem von uns entstehen, aber besonders Men-schen, die von schlimmster Armut betroffen sind, versuchen, mit Alkohol oder anderen Rauschmitteln den Alltag zu verarbeiten. Deswegen haben wir uns entschieden, die Wärmestube Linz der Caritas zu unterstützen. Der Besuch dort war für uns alle eine sehr prägende Erfahrung, die sicher noch für lange Zeit Eindruck bei mir hinterlassen wird. Man kann sich gar nicht vorstellen, wie sehr sich Menschen über Sanitäreinrichtungen, eine warme Mahlzeit am Tag und ein paar Stunden Schlaf auf einem sehr ein-fachen Bett freuen. Die Schicksale sind teilweise so schockierend, dass es einem kalt über den Rücken läuft. Ich bewundere die Menschen, die sich dort jeden Tag für andere einsetzen und trotzdem weiterhin dem Leben positiv gegenüberstehen. Genau in solchen Situationen wird einem erst wirklich bewusst, wie dankbar wir dafür sein müssen, jeden Tag ge- nug zu essen und ein Dach über dem Kopf zu haben.“   Wir gratulieren den Schülerinnen der 8a zu diesem wirklich vorbild-haften Engagement: Vielen Dank für euren tollen Einsatz und Alles Gute für die weitere Zukunft!!  www.praevention.at/peers    Wir bieten das Wissen zum Tun – 25 Jahre Institut Suchtprävention    Im Dezember 2019 durften wir am In-stitut Suchtprävention das 25-jährige Bestehen feiern. Die Einrichtung hat sich im vergangenen Vierteljahrhun-dert von einem kleinen „Versuchsbal-lon“ zu einem international beachteten Kompetenzzentrum für Suchtpräven-tion entwickelt, das weit über die Gren-zen Oberösterreichs hinaus geschätzt wird. „Mit der Gründung des Instituts Suchtprävention unter dem Dach von pro mente Oberösterreich vor 25 Jahren war unser Bundesland Vorreiter in der Prävention. Entstanden ist ein über die Landes- und Bundesgrenzen hinaus renommiertes Kompetenzzentrum, das unter dem Motto ‚Wir bieten das Wissen zum Tun‘ hervorragende Arbeit leis-tet“, betonte Bildungs- und Gesundheitsreferentin LH-Stellvertreterin Mag.a Christine Haberlander im Rahmen einer gemeinsamen Pressekonferenz mit DSA Christoph Lagemann (Gründer und Leiter des Instituts Suchtprävention) und MMag. Gernot Koren, MAS (Geschäftsführung pro mente OÖ).  Am 9. Dezember 2019 wurde dieses Jubiläum am Institut Suchtprävention ge-feiert. Neben aktuellen und ehemaligen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern waren über 100 Gäste aus Politik, Verwaltung, Medizin, der Jugendarbeit, aus  den Bereichen Bildung, Wissenschaft, Polizei und natürlich der Prävention gekommen, um zu gratulieren. Darun-ter viele Wegbegleiter/innen, die in den vergangenen 25 Jahren ihren Teil zur erfolgreichen Entwicklung beige-tragen haben. So ergaben sich viele Begegnungen und interessante Ge-spräche in ungezwungener Atmos- phäre. Kurzum: ein gelungenes Fest! ready4life: Erfreuliche Zwischenbilanz   Seit März 2019 hat das Institut Suchtprävention mit  ready4life ein neues, in- teraktives, digitales Lebenskompetenzprogramm im Angebot, das speziell für Lehrlinge adaptiert wurde. (siehe auch Bericht Seite 9). Die erste Bilanz von „ready4life” fiel dabei überaus erfreulich aus: So wurden im Jahr 2019 an 17 oö. Berufsschulen und 7 Polytechnischen Lehrgängen in Summe rund 200 Workshops durchgeführt. 1079 Schülerinnen und Schüler haben freiwillig beim 4-monatigen Coachingprogramm mitgemacht! Viele davon haben das Programm mit der maximal möglichen Punktezahl abgeschlossen. Als Beloh-nung für diese Leistung erhielt jede/r Teilnehmer/in einen kleinen Über-raschungspreis. Zudem wurden dank der freundlichen Unterstützung von „öticket” und „Star Movie” 3 attraktive Hauptpreise  im Gesamtwert von 600 Euro verlost. Die Preise wurden den glücklichen Gewinner/innen am 19. Dezember 2019 am Institut Suchtprä-vention überreicht. Zu diesem Anlass wurden auch jene drei Schulen ge-ehrt, die die höchste Teilnehmer/in-nenzahl erreichten. Das waren die Berufsschule Vöcklabruck-Gmunden (1.Platz), die Berufsschule 7 Linz (2. Platz) und die Berufsschule Gmunden 1 (3.Platz). Wir gratulieren! Infos unter:  www.ready4life.at Programmübersicht  Institut Suchtprävention   Das Institut Suchtprävention bietet aktuell rund 80 unterschiedliche Maßnahmen und Ange-bote für verschiedene Zielgruppen an. In einer Anfang Dezember 2019 neu erschienenen Pro-grammübersicht erhalten Sie einen kompakten Überblick über die Vielfalt der unterschiedli-chen Tätigkeiten am Institut. Dieser Katalog steht als Download auf unserer Internetseite zur Verfügung:  praevention.at/Infomaterialien    v.li: Christoph Lagemann, Bildungs- und Gesundheits-referentin LH-Stv. Mag.a Christine Haberlander, MMag. Gernot Koren, MAS (Foto: Kraml/Land OÖ)  v.li.:  Herbert Baumgartner (Institut Suchtprävention), Wolfgang Klima (Beratungsstelle xdream), Peter Eitzen-berger (Polizei Steyr)  Die Suchtpräventions-Peers des Gymnasiums Schlier-bach, v.li: Alexandra Otte, Direktor Jürgen Rathmayr, Iris Holzer, Ines Pühringer  Besuch und Übergabe des Spendenschecks an Manuel Steineder, Leiter der Wärmestube Linz  Neues   AUS DEM INSTITUT 14 Die glücklichen ready4life-Hauptgewinner Markus und Martin (vorne) mit Vertreter/innen des Instituts Sucht- prävention sowie der ausgezeichneten Berufsschulen. 


Videoclips zum Thema Mobbing und Zivilcourage     Im Zuge eines Kooperationsprojektes mit dem Institut Suchtprävention ha- ben sich die Schüler/innen der 3mma der HTL1 Bau und Design Linz im letz-ten Schuljahr mit dem Thema Mobbing und Zivilcourage auseinanderge- setzt und dazu Videoclips gestaltet. Das Projekt wur- de im Unterrichtsfach Medienproduktion unter der Leitung von  Clarissa Keck, MA im Rahmen des Jah- resthemas „Zivilcourage” umgesetzt – nach einer Idee von Suchtpräventionskoordinator  DI Martin  Scheikl. Alle Beteiligten waren mit viel Engagement und Begeisterung am Werk und wir freuen uns, dass wir eine Auswahl von fünf der dabei entstan-denen Kurzvideos auf unserem YouTube-Kanal zei-gen können:  youtube.com/praeventionAT Neues Fortbildungsangebot:  In-House-Schulungen für OÖ Kindergärten    Im Rahmen des Netzwerks Gesun-der Kindergarten, einem Koopera- tionsprojekt der Abteilung Gesund- heit (Land OÖ) und der Bildungsdi-rektion OÖ, bietet das Institut Sucht-  prävention seit Februar dieses Jahres für oberösterreichische Kindergarten-Teams  In-House-Schulungen zum Thema Psychosoziale Gesundheit an. Die Schu- lungen bestehen aus zwei Terminen zu 4 Einheiten (je 45 Minuten). Beim ersten Termin werden u.a. unterschiedliche Zugänge zur psychosozialen Ge-sundheit und Schutzfaktoren der Suchtforschung vorgestellt. Zu diesen Schutzfaktoren zählen ein positives Selbstkonzept sowie wichtige Fähig- keiten wie: mit Konflikten, Stress und unangenehmen Gefühlen umgehen können, Gefühle ausdrücken, sich mitteilen können und andere verstehen. Kurz: die psychosoziale Gesundheit von Kindern zu fördern, heißt, sie in ihrem Selbst zu stärken und in der Entwicklung von personalen, emotiona-len und sozialen Kompetenzen zu unterstützen. In der zweiten In-House-Schulung kann noch individueller auf Themen, die sich für die jeweiligen Kindergartenteams als besonders wichtig oder brennend herausgestellt haben, eingegangen werden.   Regionale Austauschtreffen: Zusätzlich zu den In-House-Schulungen gibt es für Kindergärten im Rahmen des Netzwerks Gesunde Gemeinde auch die Möglichkeit an einem regionalen Austauschtreffen mit anderen Kindergar-ten-Teams teilzunehmen. Dabei steht der Austausch der einzelnen Kinder-gärten im Fokus. Die Inhalte des Schwerpunktes psychosoziale Gesund- heit (Basiskriterien/Schwerpunktfragen) werden vertieft. Zudem wird ein fachlicher Input zu verschiedenen Themen wie Gefühle, Kommunikation, Konflikte und Probleme und soziale Kompetenz eingebracht. Die ersten Rückmeldungen zu diesem neuen Format fielen überaus positiv aus, berichtet Karin Svigelj, BA, die am Institut Suchtprävention für dieses Weiterbildungsangebot verantwortlich ist.   Die Anmeldungen und weitere Details zu diesem Weiterbildungsangebot er-halten Sie über Ihre Regionalbetreuung im Rahmen des Netzwerks Gesun-der Kindergarten. Weitere Infos zum Netzwerk Gesunder Kindergarten:  www.gesundes-oberoesterreich.at STEPCHECK: Die Website für Früherkennung und Handeln  bei Suchtproblemen    stepcheck.at ist ein Serviceprojekt des Instituts Suchtprävention und wird  von der AUVA Landesstelle Linz gefördert. Die Website bietet Betrieben und Schulen Unterstützung im Umgang mit suchtgefährdeten Personen.  Verantwortungsträger/innen bekommen  praxisnahe Handlungsanleitungen,  um riskanten Substanzkonsum und Suchtgefährdung zu erkennen, Pro-bleme anzusprechen und Schritt für Schritt zu intervenieren. Ergänzend zu schrittweisen Interventionsleitfäden enthält die Seite Videos, Checklis-ten, Rechtsinformationen und Links. Neu sind die Rubrik „Was tun als Kol-lege?“ und laufend aktuelle Beiträge zu Schwerpunktthemen und Veran- staltungen. Reinklicken lohnt sich – nicht nur im akuten Anlassfall!  STEPCHECK unterstützt in den Themenbereichen:    •  Intervention                   • Arbeitsplatzverweis        • Arbeitsrecht •  Gesprächsführung        • Lehrlingswesen               • Grundlagen  STEPCHECK im Betrieb: Suchtgefährdung früh zu erkennen und richtig  darauf zu reagieren, bringt enorme Entlastung für Betriebe:  •  Betroffene bekommen Hilfe •  Belastungen für das Arbeitsumfeld werden begrenzt •  Wirtschaftlicher Schaden wird reduziert •  Das Unfallrisiko wird gesenkt   Je früher auf Probleme reagiert wird, desto höher ist die Wahrscheinlich-keit, dass Betroffene ihr Verhalten ändern und Hilfe annehmen. Vorge- setzte sollten daher bereits bei ersten Veränderungen im Arbeits- und Leis-tungsverhalten das Gespräch suchen.  STEPCHECK in der Schule: Suchtgefährdung erkennen und richtig handeln    Lehrkräfte und Schulleiter/innen sind häufig mit problematischen Verhal-tensweisen von Schüler/innen konfrontiert: sozialer Rückzug, starker Leis-tungsabfall, Schulverweigerung, Gesundheitsprobleme, aggressives Ver- halten…Dahinter kann vieles stehen: Entwicklungskrisen, Belastungen in der Familie oder riskanter Umgang mit Substanzen (Alkohol, Drogen) und Verhaltensweisen (Essstörungen, Spielsucht oder Kaufsucht). Beim Ver-such, mit ihren Problemen fertig zu werden, entwickeln manche Schüler und Schülerinnen Strategien, die ihre psychische und physische Gesund-heit gefährden.  stepcheck.at bietet Schritt für Schritt Handlungsanleitun- gen, um problematisches Verhalten von Schüler/innen zu erkennen, anzu- sprechen und frühzeitig zu intervenieren.  Folgende Themen werden bearbeitet:    •  Handeln bei Auffälligkeiten                      • Schulrecht und Jugendschutz •  Handeln nach §13 Suchtmittelgesetz      • Grundlagen •  Gesprächsführung                                     • SCHILF     Tagungsnachlese  Flow Akut 2019 in Steyr:  „online! What else!?“    Spannende Vorträge bot die Tagung Flow Akut in Steyr. Rund 100 Interes- sierte, vorwiegend aus dem Bereich Jugendarbeit, aber auch viele Lehr-kräfte nahmen an der jährlichen  Fachtagung des Steyrer Netzwerks „Flow Akut“ am 28. November 2019 im Amtsgebäude Reithoffer teil. Das Thema der diesjährigen Veranstaltung lau-tete „online! What else!?“ und drehte sich inhaltlich um den  jugendlichen  Medienkonsum zwischen Faszination, Generationenkonflikt und Gefährdung.  Herbert Baumgartner, der seit 20 Jahren für dieses regionale Netzwerk tätig ist, zeigte sich zufrieden: „Wir haben sehr viele positive Rückmeldungen er-halten und die Referate boten durchwegs spannende Inhalte zu einem hoch-aktuellen Thema, das weit über den Bereich Jugendarbeit hinausgeht.“ © R ober t Kneschk e /Adobe Stock Foto: Andreas Schachermayr, Produktionsschule Steyr 15


Unser aller Leben hat sich in den vergangenen Monaten durch das Coronavirus stark verändert und eine Viel-zahl an Herausforderungen mit sich gebracht. Für das Meistern dieser Herausforderungen gibt es unterschied-liche Herangehensweisen – eines sollte aber klar sein: Wenn die Probleme zu viel werden, sind Alkohol oder Drogen die schlechtesten Ratgeber. Denn sie verstärken mittel- und langfristig die negative Stimmung, ohne die Probleme zu lösen.   Krisenzeiten zeigen aber auch stets, wie wichtig es ist, Risiko- und Schutzfaktoren zu kennen und dieses Wissen zu nutzen, um die eigene Krisenfestigkeit zu stärken. Daher haben wir in den vergangenen Wochen daran ge-arbeitet, hilfreiche und präventiv sinnvolle Informationen, Tipps und Anregungen für unterschiedliche Settings und Lebensbereiche auf unserer Instituts-Homepage zur Verfügung zu stellen, u.a. zu den Themen Suchtprä-vention und Stress-Reduktion, Substanzkonsum in der Krise, Hilfe- und Beratungsangebote, Corona-Alltag mit Kindern, Heimquarantäne, Arbeitswelt, Beziehung und Partnerschaft, Corona-News und Sucht-Prävention. Au-ßerdem sind wir weiterhin in Kontakt mit unseren vielen Multiplikatorinnen und Partnern, die wir in unserer Serie „Und ihr so?” zur derzeitigen Situation befragen. Sie finden die Sammlung „Suchtprävention in Zeiten von Corona”, die wir laufend erweitern: www.praevention.at/corona        DAS TANKMODELL – AKTUELLER DENN JE     Die von Christoph Lagemann bereits in den 1980er-Jahren entwickelte Methode der Suchtprävention ist gerade in Krisenzeiten immer wieder hochaktuell. Denn das Tankmodell beschreibt die Dynamik und die Komplexität der Entstehung von süchtigem Verhalten. Gleichzeitig werden Möglichkeiten aufgezeigt, die den Weg in die Sucht verhindern sollen. Gerade in Zeiten wie diesen sind für uns alle einige wesentliche „Seelentankstellen” versiegt (Vereine, KollegInnen, Freunde etc.) und es lohnt sich darüber nachzudenken, welche anderen Tank-stellen nun genutzt bzw. neu eröffnet werden könnten, um diese Krise psychisch unbeschadet zu überstehen Diese Reflexions-Methode eignet sich in etwa ab dem Teenager-Alter.    Alles was dazu nötig ist, sind Stifte und Papier. Zeichnen Sie Ihren persönlichen Tank, tragen Sie die Treibstoffe (Anerkennung, Freude, Sinnhaftigkeit etc.) ein, die Sie benötigen, um psychisch gesund zu bleiben. Nun zeich-nen Sie die Tankstellen ein, die bis jetzt für Ihre Gesundheit gesorgt haben. Sie werden bemerken, dass manche dieser Tankstellen in der momentanen Krise nicht funktionieren. Nun geht es darum, diese durch neue Tank-stellen zu ersetzen, um Ihren Tank wieder zu füllen. Vereinbaren Sie ein Treffen mit Freunden via Skype, nutzen Sie alle digitalen Medien, um mit Ihren Lieben zu kommunizieren, graben Sie längst vergessene alte Hobbys wieder aus oder setzen Sie die Hobbys und Passionen um, die Ihnen schon lange vorschweben. Seien Sie groß-zügig beim Eröffnen neuer Tankstellen. Je mehr Tankstellen, desto mehr Treibstoffe.                     Diskutieren Sie das Modell auch mit der Familie oder Freunden. Schauen Sie auf sich und auf die Anderen.  Und bleiben Sie gesund! Viel Spaß! Tipp: Eine detaillierte Beschreibung des Tankmodells sowie weitere prakti-sche Methoden zur Suchtprävention finden Sie in unserem Handbuch „Wie schütze ich mein Kind vor Sucht?”    youtube.com/praeventionat   |  facebook.com/praevention.at  |  instagramm.com/praevention.at Y SUCHTPRÄVENTION  IN ZEITEN VON CORONA DER TANK   IST MANCHMAL   VOLL UND   MANCHMAL   LEER. FA MI LI E FREU ND E SCHULE / BERUF HOB B Y GEN USSMI TTEL SPOR T Abb. 2:       Tankstellen LIEBE    ANERKENNUNG  FREUDE  SPASS  SINNHAFTIGKEIT  GEBORGENHEIT    ENTSPANNUNG       ABENTEUER  ETC.   Abb. 1:     Seelentank Abb. 3:       „Stoppel”  Ersatz stoffe  und   Ersatzhandlungen wirken wie „Stoppel”  auf unserem Tank. DER TANK   IST BEINAHE    LEER. © Belkin & Co/Adobe Stock