ZUKUNFT | 45 Nachdenken über Medien kennen, und sie lernen, mit den Werkzeugen umzugehen.Wenn man mit Werkzeugen umgehen kann, dann kann man damit auch etwas produzieren, etwas bauen, und das ent-weder nach Plan oder kreativ und frei, indem man sich selbst etwas ausdenkt. Etwas produzieren zu können ist ein zweiter Teil der Medienkompetenzvermittlung. Es geht darum, Me-dien als Werkzeuge produktiv und kreativ zu benutzen, um Werte zu schaffen. Aus pädagogischer Sicht geht es dabei vor allem darum, dass Menschen sich selbst als wertvoll erschaffen und erleben. Über diese Werte, über dieses Vermögen zu ver-fügen, das zeichnet Menschen aus, die Medienbildung haben.Nun braucht es nicht unbedingt neue Werkzeuge, um über etwas Neues nachzudenken und es zu analysieren. Auch Be-währtes kann seinen Zweck erfüllen. Wenn etwa das Internet ein Werk des Teufels ist und durch Computer zugleich die Erlö-sung im Himmelreich versprochen wird, dann werden seit vie-len Jahrhunderten bewährte Werkzeuge verwendet: Die Dro-hung mit dem Teufel und das Versprechen zukünftiger Erlösung ist keine Erfindung der Wissensgesellschaft, sondern ein gut eta-bliertes Werkzeug, mit dem Macht ausgeübt werden kann.IV. MACHT, GEHORSAM UND SOLIDARITÄTUm also mit diesem Werkzeug Macht auszuüben, braucht es noch einen Teil der Erzählung (die einem 3-Akt-Modell folgt, das zu kennen ebenfalls Teil der Medienkompetenz ist): Der zweite Akt besteht aus Gehorsam und Fleiß. Vorhang auf: 1. Akt: Die Welt ist bedrohlich.2. Akt: Du bist gehorsam, fleißig und folgst dem Wort dei-nes Herren.3. Akt: Du wirst erlöst werden.Digitaler gesprochen: Das Internet ist gefährlich, aber nüt-ze fleißig Virenscanner und Firewalls und verwende das In-ternet gehorsamst für nützliche Dinge – und Du wirst eine glänzende Zukunft erleben. Dass zu den nützlichen Dingen gehört, fleißig online zu arbeiten, versteht sich dabei von selbst. Darüber weiter nachzudenken und es zu analysieren, ist mit einem anderen bewährten Werkzeug möglich. Denn wenn Menschen fleißig online arbeiten, schaffen sie Werte. Zu verhindern, dass Menschen Werte, die sie schaffen, für sich selbst nutzen, und diese Werte abzugreifen, um Gewin-ne zu erzielen, ist kein ganz neues Mittel der Machtausübung. Um Gewinne zu erzielen, muss bekannterweise der Mehr-wert, der bei der Arbeit erzeugt wird, abgeschöpft werden.Darauf beruht nicht nur das Geschäftsmodell von Industrie-unternehmen, sondern auch das von Techkonzernen. Facebook ist ein wunderbares Beispiel dafür: Menschen, die Facebook be-nutzen, produzieren Inhalte und Daten. Daraus wird dann per-sonalisierte Werbung als ein Produkt, das sich ausgezeichnet ver-kaufen lässt. Die arbeitenden Menschen erhalten dafür allenfalls einen minimalen Lohn in Form von weitgehend wertlosen Sach-leistungen und unentgeltlich produzierten Inhalten. Das solche Ausbeutung hohe Gewinne ermöglicht, ist nicht überraschend.Damit solche Ausbeutung nicht zu Widerstand führt, muss, um noch ein drittes Werkzeug ins Spiel zu bringen, eine Solidarisierung der ausgebeuteten Menschen verhindert werden. Solidarität setzt voraus, dass ich weiß, dass es viele an-dere Menschen gibt, die genauso ungerecht behandelt werden wie ich – und zwar über Berufe und Nationen hinweg. Ge-nau das wird mit Filterblasen verhindert. Denn die sorgen da-für, dass ich nur einen kleinen Teil der Menschen wahrneh-men kann, und das auch noch in eng begrenzten Gruppen. Wenn es dann gelingt, dafür zu sorgen, dass diese Gruppen gegeneinander kämpfen, dann ist die Vermutung, dass hier das Werkzeug „Teile und Herrsche“ seitens des Kapitals als Mit-tel im Klassenkampf verwendet wird, durchaus naheliegend.Das Beispiel veranschaulicht, was mit der Analyse prob-lematischer gesellschaftlicher Prozesse im Medienkompetenz-begriff gemeint ist. Die Analyse problematischer gesellschaft-licher Prozesse ist der erste Teil der Medienkritik. Eine solche Analyse kann natürlich auch anders durchgeführt werden – Ausbeutung und Klassenkampf waren nur zwei Beispiele für Analysewerkzeuge. Fortschritt, Demokratie, Rechtsstaatlich-keit, Ökologie oder Solidarität wären weitere Werkzeuge, mit denen digitale Medien analysiert werden können. Diese Werkzeuge, die wie ein Rollgabelschlüssel oftmals recht gut, aber nie genau passen, müssen in der Medienkompetenzver-mittlung um präziser auf Medien bezogene Werkzeuge wie Genre, Ensemble, parasoziale Interaktion oder Raum- und Zeitmedien ergänzt werden.V. DIGITALE GRUNDBILDUNG UND SOZIALPARTNERSCHAFTNun geht es in der Medienkompetenzvermittlung nicht nur um die Analyse. Die Analyse ist, wie das bei Analysen