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Wir haben intuitiv eine klare Vorstellung davon, was gute
Zusammenarbeit ist: Ein gemeinsames Ziel und Engage-
mentbereitschaft bei allen, Kritikfähigkeit und gegenseitige
Unterstützung, kreatives Eingehen aufeinander und Bereit-
schaft, auf Vorschläge anderer einzutreten, unter Berücksich-
tigung der Ideen aller entscheiden, was als nächstes kommt,
usw.
Nach rund 10 Jahren intensiv experimentieren, reflektieren,
diskutieren, lesen, schreiben und schliesslich Kurse gestalten
zum Thema agile Didaktik ist mir klar geworden, dass sich
im besten Sinne des Wortes «agile» Didaktik auf die schlichte
Formel bringen lässt:
Sie ist Zusammenarbeit.
Gute Zusammenarbeit von Lehrenden mit Lernenden
(soweit diese Unterscheidung und Begrifflichkeit dann noch
Sinn macht, doch lassen wir die Frage der Wörter an dieser
Stelle noch auf sich beruhen).
Betrachten wir, der Einfachheit und Kompatibilität mit dem
bestehenden Bildungssystem halber, das Ziel als gegeben:
Es ist eben ein Tag oder Modul, in dem die Programmier-
sprache Python erlernt werden soll (bzw. deren Grundprin-
zipien) oder die Fähigkeit vertieft, Feedback entgegenzu-
nehmen, oder Chor dirigieren, oder was auch immer. Das
Ziel sei jedenfalls gegeben. Nun macht es in vielen Fällen
durchaus Sinn, dass da eine Person ist, die das kann und
die idealerweise sogar einige Ideen und noch besser darüber
hinaus Erfahrung darin hat, wie Menschen genau das lernen
können. Aber auch wenn oder eher gerade dann macht es
doch Sinn, dass Ideen der Lernenden, was ihnen als näch-
sten Schritt helfen würde, mit einfliessen bei der Gestaltung
des Lernprozesses. Und es macht Sinn, dass die «lehrende»
Person im Verlaufe des gesamten Lehr-/Lernprozesses genau
wahrnimmt, was die Lernenden jeweils schon können und
das Vorgehen fortlaufend ihrem Lernprozess anschmiegt
– also nicht etwa dasselbe in derselben Art weiter übt, was
schon gut funktioniert oder Dinge anregt bzw. vorträgt, mit
denen die Lernenden – aus welchen momentanen Gründen
auch immer – nichts anfangen können. Und das kann sich
ja von Gruppe zu Gruppe, ja sogar nach Tagesform und
Befindlichkeiten ändern. Also: Agil. Koproduktiv.
Mehr gibt es dazu im Grunde genommen nicht zu sagen
– und eben diese Erkenntnis, dass das schon alles ist,
überrascht mich, nachdem ich ein Buch über agile Didaktik
geschrieben habe, ohne das so explizit zu realisieren. Man
mag das peinlich finden; es ist auch ein bisschen peinlich,
doch leiste ich mir die «Peinlichkeit», zu lernen, zu ent-
decken und forschen zu dürfen. Denn peinlich ist hier ja
eigentlich nur, dass ich es nicht wusste, bevor ich es erkannte.
Nichtwissen wird als Schwäche definiert – vielleicht auch
ein Ergebnis von «Schule». Nichtwissen – insbesondere
bewusstes Nichtwissen – ist allerdings äusserst lernförderlich,
weil Fragen und Interesse produzierend. Lernhinderlich sind
Atmosphären und Menschen, bei denen Nichtwissen – das
der anderen und/oder das eigene – versteckt werden müssen. Also, nochmals mutig:
ich habe es wirklich nicht
gemerkt, dass es im grunde so einfach ist.
Nun ist es natürlich einfach im Sinne von
«simple, not easy»
. Es braucht dann eben doch einiges,
damit genau diese Lern-Lehr-Zusammenarbeit gelingen
kann. Das, was es meiner Einschätzung nach braucht dafür,
möchte ich nun benennen. Doch bestehe ich darauf, dass sie
bloss deswegen, weil es einiges braucht, nicht doch wieder
kompliziert ist, die gute, agile Didaktik. Nein, sie ist nicht
kompliziert, sondern es ist primär eine Entscheidung, sich
auf Zusammenarbeit einzulassen. Ja, es ist und bleibt so
einfach, und gerade darum gibt es keine Ausreden:
gute Bildung ist schlicht Zusammenarbeit.
Nun, nach meiner breiten Erfahrung und sorgfältigen
theoretischen Untersuchung situativer Didaktik sind es
drei Dinge, die im besten Sinne des Wortes agile Didaktik
ausmachen:
- ein klares Ziel- fortlaufende Wahrnehmung des Stands der Annäherung an dieses Ziel- gute, hilfreiche ideen für das lernen selbst, Schritt für Schritt
Zwar gibt es auch andere Dinge, die wichtig sind – doch
ergeben sich diese oft mit bzw. von selbst, wenn auch nicht
immer. Vor zu viel Vereinfachung sei gewarnt, doch diese
drei Dinge sind es, an denen es sich ganz besonders lohnt,
sich zu orientieren.
Apropos Orientierung: Ein klares Ziel gibt Orientierung.
Gute Bildung ist schlicht Zusammenarbeit
Christof Arn
Sehr spannend für mich wird es, wenn ein Wissenschaftler wie
Christof Arn, der 8 Jahre lang agile Didaktik an der Univer-
sität in Luzern untersucht und darüber auch ein Buch beim
Beltz Verlag veröffentlich hat, für unser Heft hier seine ‚Ergeb-
nisse herunterbricht auf die scheinbar einfache Formel
„Gute Bildung ist schlicht Zusammenarbeit.“
Gute Bildung ist schlicht Zusammenarbeit